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Dagmar Ullmann-Bautz · 19. Okt 2014 · Theater

Wenn auf der Bühne Wunder geschehn! - "Ich Zarah oder das wilde Fleisch der letzten Diva" von Franzobel am Vorarlberger Landestheater

Einen großartigen Theaterabend bescherte die Uraufführung von Franzobels "Ich Zarah oder das wilde Fleisch der letzten Diva" gestern am Vorarlberger Landestheater einem erwartungsvollen Publikum, einem Publikum, das sich einerseits auf die bekannten Lieder und Ohrwürmer der großartigen Sängerin freute, andererseits neugierig war, die Geschichte der doch recht umstrittenen Frau und Künstlerin ausgebreitet zu bekommen.

Erst Ende April dieses Jahres hatte das Vorarlberger Landestheater dem Autor Franzobel den Auftrag erteilt, ein Bühnenstück über Zarah Leander, jener legendären, mit vielen Fragen und Gerüchten umrankten sowie zeitgeschichtlich höchst interessanten Person zu schreiben.

Zarah Leander - der größte Star des Dritten Reichs


Die Sängerin mit der rauchigen, überaus sinnlichen Stimme wurde 1907 in Schweden geboren, wo sie 1981 auch starb. Sie war einer der größten Stars des Dritten Reichs. In späteren Jahren als Nazi-Sirene verschrien, wehrte sich die alternde Diva stets gegen diesen Vorwurf. Doch war sie wirklich nur die "politische Idiotin", wie sie sich selbst in ihren Memoiren bezeichnete oder doch die kühl kalkulierende Karrieristin?

Ein geniales Stück


Franzobel gelingt ein Geniestreich mit der Erschaffung der Kunstfigur des Lazarus Modriach, einer Figur der Gegenwart, die die Leander zum Leben erweckt und hinabtaucht in die verschiedensten Lebensphasen des Menschen Zarah. Der heilige Lazarus soll einst von Jesus zum Leben erweckt worden sein und sein Name wird in der Wissenschaft für die Wiederauffindung ausgestorbener Tierarten verwendet oder auch in der Medizin als Synonym für eine Wiederbelebung. Modriach wiederum ist ein kleiner Ort in der Steiermark, den es ab 2015 nicht mehr geben wird, da er mit der Nachbargemeinde Edelschrott zusammengelegt und unter diesem Namen weitergeführt wird. Das ist typisch Franzobel, schon mit den Namen seiner Figuren erzählt er Geschichten! Sein Humor, seine Treffsicherheit und seine Freude am Experiment zeichnen den Autor gleich wie auch das vorliegende Stück aus und machen es einfach nur großartig. Es punktet mit Witz, großem Tiefgang, ist politisch, aktuell, weder anklagend, noch moralisierend, ein höchsterfreulich kluges Stück. Franzobel schenkt dem Publikum eine Zarah Leander, eine Frau, einen Menschen aus Fleisch und Blut, mit Stärken und Schwächen, er rehabilitiert sie einerseits, ohne sie andererseits zu schonen.
So begegnet Lazarus Zarah und ihren Mitmenschen, ihren Zeitgenossen an den Eckpunkten ihres Lebens, er mischt sich ein, kommentiert, relativiert, hört aber auch zu - interessiert. Er, der am Anfang des Stückes Zarah erweckt, ist auch derjenige, der am Schluss als "leicht verwirrter Boandlkramer" (der Tod) kommt, um die Zarah abzuholen.

Regie und Ausstattung überzeugen


Markus Trabusch hat das Stück brillant inszeniert, punktgenau, griffig, humorvoll sowie traurig anrührend zugleich, mit einem untrüglichen Gefühl für jede Situation, jede Figur, für den Text. Als Ausstatterinnen brachte Trabusch die Bühnenbildnerin Isabelle Kittnar sowie Kostümbildnerin Katharina-Maria Diebel nach Bregenz mit, mit denen er bereits in seiner Zeit als Schauspieldirektor am Theater Augsburg (2007 - 2014) zusammenarbeitete. Diebels Kostüme sind fantasievoll, sind wunderbar detailverliebt, verschärfen die Figuren genau dort, wo es notwendig ist. Intensiviert wird das zusätzlich durch die beeindruckenden Masken der Maskenbildnerin des Hauses Annette Hock. Der Bühnenraum von Isabelle Kittnar besticht durch seine Klarheit und Stringenz. Der nach hinten bedrohlich enger werdende graue Raum, die hohe, schmale Showtreppe, ein Brettersteg bis in die ersten Publikumsreihen und der miteinbezogene eiserne Vorhang erzählen spannende Geschichten, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Arndt Rössler ist es wieder einmal gelungen jeder Szene, jeder Stimmung, jeder Figur das absolut perfekte, ideale Licht zu bauen.

Ausgezeichnet: Tamara Stern


Zarah Leander wird von der hochtalentierten Tamara Stern gespielt, die schon mit "Lola Blau" und den "Andrew Sisters" zu überzeugen wusste. Egal, ob als alte, abgewrackte Frau oder als junge strahlende Künstlerin am Zenit ihres Erfolges, Stern vermag es, jede Lebensphase der Leander einfach meisterhaft zu zeichnen. Sie kann nicht nur spielen, sie singt auch himmlisch. Ihre Interpretationen der Leander-Klassiker sind emotional wie auch musikalisch bestechend! Sehr souverän und äußerst liebevoll durch ihre Geschichte begleitet  wird sie von Benjamin Bieber in der Rolle des Lazarus und „Boandlkramers“.

Wandlungsfähige SchauspielerInnen


Grit Paulussen und Herbert Schäfer verkörpern großartig alle anderen Figuren des Stücks. Bewundernswert ist die Wandlungsfähigkeit beider Schauspieler, schaffen sie es doch jeder einzelnen Figur einen einzigartigen Charakter zu verleihen. Schäfer glänzt ganz besonders als Bruno Balz, der homosexuelle Texter der Leander, und mit seinem Auftritt als Marlene Dietrich. Paulussen besticht nicht nur als naive Schauspielerin und nationaltreue Selma Balz, sie begeistert mit ihrer "Hitler-Göbbels-Göring"-Performance und als grotesk anrührende Heinz Rühmann Parodie.

Bezaubernd die jungen Damen des Jugendclubs, die als Statistenchor die Szenerie bereichern: Rebekka Baumann, Nora Dehmke, Carmen Gerner, Eva Hämmerle, Deborah Macauley, Nicola Rädler, Linn Ritsch, Desirée Weinhofer.

Begeistertes Publikum


Last but not least die Musik! Ivo Bonev hat die Musik ganz fabelhaft arrangiert und am Klavier gemeinsam mit dem Schlagzeuger Stefan Halbeisen, Klemens Meier (Geige), Sdravko Kulow an Bass und Gitarre exzellent präsentiert.

Das begeisterte Publikum bedankte sich mit einem langanhaltenden und von Bravorufen begleiteten Applaus, der allen Protagonisten, allen Schöpfern dieses wunderbaren, dieses großartigen Theaterabends galt.

 

Weitere Vorstellungen:
25/10, 30/10, 05/11, 09/11, 02/12, 05/12
Stückeinführungen: 30/10, 09/11
Vorarlberger Landestheater, Bregenz
www.landestheater.org