Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Anita Grüneis · 17. Jän 2018 · Theater

„Clean City“ im TAK - Fünf Putzfrauen, ein Tango und viel Mutterwitz

„Clean City“ ist ein Stück über Integration, über den Umgang mit Fremden, über Heimweh und über die Würde des Menschen. Fünf Putzfrauen – reale, keine Schauspielerinnen! – erzählen von ihrem Leben in Griechenland, ihrem Ankommen, ihren Schwierigkeiten als Illegale, ihrem Fremdsein und ihrer Arbeit. Das TAK zeigte diese Produktion von Anestis Azas und Prodomos Tsinikoris in der Originalsprache Griechisch mit deutschen Untertiteln. Das Publikum dankte für den kurzweiligen und mitreißenden Abend mit standing ovations.

Gleich zu Beginn mahnte Rositsa Pandalieva das Publikum: "Nach der Vorstellung will ich keine Kaugummis unter den Sitzen. Und nehmen Sie Ihre Flaschen wieder mit." Die Leute lachten, aber Pandalieva meinte es ernst. Die Bulgarin putzt seit Jahren im Athener Kulturzentrum Onassis. Davor gehörte sie in ihrer Heimat zur Mittelschicht. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus hielt sie die Armut in Bulgarien nicht mehr aus, verließ Mann und Kinder, um Geld zu verdienen und landete in Athen. Die 61-jährige Drita Shehi kam aus Albanien, die 40-jährige Freda Resurreccion aus den Philippinen, Valentina Ursache, die wirklich so heißt, aus Moldawien und die lang gewachsene Mabel Mosana aus Südafrika. Mabel hatte einen Griechen geheiratet, sie, die mit der Apartheid aufgewachsen war, sah bei ihrer Ankunft als erstes einen weißen Mann, der putzte und dachte sofort, das müsse das Paradies sein. Sie wurde rasch eines Besseren belehrt.

Wenn Rechtsextreme säubern wollen

Inspiriert wurden die beiden Regisseure Anestis Azas und Prodromos Tsinikoris durch die rechtsextreme Partei „Goldene Morgenröte“, die Griechenland von den Migranten «säubern» wollte. Die beiden Künstler fragten sich daraufhin, wer denn wirklich Athen säubert. Sie suchten nach Putzkräften verschiedener Einwanderungsgenerationen, redeten mit über sechzig Frauen und entschieden sich am Ende für die fünf Frauen, die nun seit der Uraufführung 2016 auf der Bühne ihre eigenen Geschichten erzählen.

Aktueller denn je

Ihre Texte sind chronologisch aufgebaut, von der Ankunft über die Jobsuche bis hin zum mühsamen Umgang mit den Ämtern. Dazwischen erzählen sie von ihren Kindern, ihren Ängsten und ihren Träumen, auch von ihren Erlebnissen mit ihren Auftraggebern. Dabei zeigt sich die Aktualität von "Clean City". So erzählt Rositsa Pandalieva, wie sie vom Ehemann ihrer Arbeitgeberin bedrängt wird, die anderen vier nicken und jedem kommt sofort die aktuelle #MeToo-Kampagne in den Sinn. Auch die Schwierigkeiten der „Sans-Papiers“ sind brandaktuell: „Ohne Papiere bist du wie eine Gefangene“, heißt es da und man denkt an die „Illegalen“ Mexikaner in den USA, die ausgeschafft werden sollen. 

Träume bleiben Träume

Das Stück ist unterhaltsam, gibt aber gleichzeitig - stellvertretend durch die fünf Frauen - allen Migrantinnen ihre Würde wieder. Etwa wenn Freda Resurreccion erzählt, dass sie auf den Philippinen drei Jahre als Architektin gearbeitet hat. Oder Valentina Ursache von ihrer Zeit als Solosängerin in einem großen moldawischen Orchester schwärmt, damals vor dem Zusammenbruch des Ostblocks. Drita Shehi war Dozentin für Ökonomie an der Universität von Tirana und wäre gerne ein Stummfilmstar geworden. In Athen aber musste sie alleine zwei Kinder großziehen. Auch davon redet sie, und von ihren drei Putzjobs, ihrer Arbeit von fünf Uhr morgens bis zehn Uhr abends. Nur sonntags hat sie nie gearbeitet. Weil sie da kochen musste für die ganze Woche.

Beeindruckt von der Kraft dieser fünf Frauen, ihrem Mutterwitz und ihrer Natürlichkeit, beschlich das Publikum auch etwas Scham – wie bequem ist unser Leben gegen das ihre. Die fünf würden dazu sagen: „Wenn du am Boden bist, kannst du nicht tiefer fallen.“ Oder einen Tango tanzen. Mitten auf der Bühne. Und sich dazu die Zuschauer holen. Weil es gemeinsam mehr Spaß macht.