Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Mirjam Steinbock · 23. Feb 2017 · Tanz

Im Moment des Berührt-Werdens – Großer Zulauf und Begeisterung beim ersten Schnupperworkshop der Initiative „tanzfähig“ am Spielboden

Tanzfähig vom ersten Moment - das waren die 22 Menschen beinahe jeden Alters, die sich auf Einladung der „tanzfähig“-Leiterin Evelyne Wohlfarter am vergangenen Sonntag am Dornbirner Spielboden einfanden. Die in Berlin gegründete Initiative bietet Interessierten nun auch in Vorarlberg die Möglichkeit, sich mit mehr körperlicher Vielfalt im zeitgenössischen Tanz vertraut zu machen. Die respektvolle Zurückhaltung der Teilnehmenden zu Beginn des Workshops wandelte sich rasch in eine offene Neugier – der wohl beste Boden für einen gemeinsamen Tanz. Am Ende der drei Stunden sah man überall strahlende Gesichter.

Dass eine so große und unterschiedliche Gruppe derart miteinander harmonierte, lag vor allem an der sensiblen und professionellen Leitung von Evelyne Wohlfarter. Zu Beginn forderte sie uns auf, uns kurz selbst vorzustellen und mitzuteilen, was uns wichtig sei beim Tanzen. So bat Andreas darum, nicht zu wild mit ihm umzugehen, damit er im Gleichgewicht bleiben könne und von Maria erfuhr man, dass Tanzen ihre große Leidenschaft sei. Evelyne Wohlfarter führte souverän, aber auch mit viel Witz durch den Workshop, indem sie unterschiedliche Methoden und Übungen zur Wahrnehmung des Raums und des Gegenübers bot und ein langsames Eintauchen in neue Dimensionen des eigenen Körperausdrucks und tänzerischer Begegnung unterstützte. Übermut und Neckereien waren dabei allgegenwärtig, was neben einer guten Stimmung in der Gruppe zu mutigem Experimentieren anregte.

Die Möglichkeit, einfach mal zuzuschauen, gab es allerdings nicht. Die erfahrene Musik- und Tanzpädagogin, die bereits als Jugendliche in Kontakt mit integrativem Tanz kam und ihn in ihren Studien auch wissenschaftlich erforschte, regte charmant, aber bestimmt dazu an, lieber mitzumachen. So traf es auch drei BAKIP-Schülerinnen, die extra aus Tirol anreisten, um für ihre Diplomarbeiten über Inklusion zu recherchieren und auch Heike, die ihre Tochter zum Workshop brachte.
„So etwas mache ich zum ersten Mal“, gestand mir Magdalena, mit der ich ein Team bei einer Übung bildete, die daraus bestand, dass eine von uns mit geschlossenen Augen dastand, während die andere deren Gliedmaßen bewegte und den Körper so in verschiedene Positionen brachte, um schließlich das Ganze wie eine selbst gefertigte Skulptur zu betrachten. Übertriebene Vorsicht oder ein Zurücknehmen brauchte es hier nicht. Evelyne Wohlfarter wies die Teilnehmenden bereits zu Beginn daraufhin, unangenehme Stellungen selbst zu korrigieren und immer gut auf sich zu achten.

„Moving Beyond Inclusion“ 


Der Choreografin, die „tanzfähig“ gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Bernhard Richarz in Berlin etablierte und die aktuell an dem EU-Projekt „Moving Beyond Inclusion“ teilnimmt, ist deutlich anzumerken, dass es sich hier um eine Herzenssache handelt. Inklusion selbstverständlich zu machen, ist eines der tanzfähig-Ziele. Damit übernimmt die Initiative neben dem Genuss, einfach ins Tanzen zu kommen auch einen vermittelnden Auftrag, der für Gesellschaft und Kultur von tragender Bedeutung ist. Die Schnupperworkshops haben das Ziel, sich mit der Arbeit von „tanzfähig“ vertraut zu machen. Ab März soll ein wöchentliches Training folgen und danach, so Evelyne Wohlfarter, wäre ein künstlerisches Projekt in Vorarlberg der nächste Meilenstein.

Ich selbst stellte mir vor dem Schnupperworkshop die Frage, was notwendig sei im tänzerischen Umgang mit Menschen, die körperlich beeinträchtigt sind. Diese Unsicherheiten lösten sich im Workshop auf. Auf direktem Weg ins Tun zu kommen, lautete das unausgesprochene Credo. Zuerst einmal einfaches Gehen durch den Raum, vorwärts, rückwärts und dann darauf achten, wer als erstes in der Bewegung stoppt. Um es ihm oder ihr nachzutun. Schließlich löst jemand den „Freeze“ auf, die Gruppe bewegt sich wieder. Sich mit den Händen berühren, die Verschiedenheit der Haut zu spüren und zwei, drei oder vier Hände eine Choreographie durch die Luft entwickeln zu lassen, gehörte auch zum Workshop. „Im Senegal gibt man sich bei der Begrüßung die Hand und hält sie während des ganzen Gesprächs, um in einen körperlichen Kontakt zu kommen“, informierte Wohlfarter die Gruppe.

Die Choreographin wählte zur Unterstützung der Übungen sowohl Stille als auch verschiedene Musikstile. Fetzige Sounds gesellten sich neben feine Klänge. Auch hier machte sich die Erfahrung der Workshop-Leiterin bemerkbar, die damit den Fokus lenkte: Es wechselte zwischen dem gruppendynamischen Einlassen auf den musikalischen Beat und einer Konzentration auf sich selbst und den Klang des inneren Antriebs.

Zum Höhepunkt des dreistündigen Workshops gehörte eine Choreographie, die Evelyne mit uns einstudierte und die, in zwei Gruppen aufgeteilt, in einen Kanon ineinander flossen. Festgelegte Sequenzen verwoben sich mit improvisierten Bewegungen und in unterschiedlichen Tempi auf mehreren Ebenen. Sich selbst von neuen Bewegungen überraschen und inspirieren zu lassen, hatte dabei stets Platz. Letztlich mündete alles in einen gemeinsamen Tanz, in dem man nach Lust und Laune ausprobieren, kopieren und neu erfinden durfte.

 

Nächster Schnupperworkshop am Samstag, 25.02.2017 im Proberaum des Spielbodens Dornbirn.
Ab Mittwoch, 8. März, jeweils 18.30 - 20.30 Uhr, startet ein wöchentliches Training am Spielboden.

Anmeldungen bei evelyne@tanzfaehig.com und Informationen auf www.tanzfaehig.com