Das Nederlands Dans Theater 2 beim Bregenzer Frühling (Foto: Udo MIttelberger)
Silvia Thurner · 15. Okt 2023 · Musik

Sonnengesang bei den Altacher Soireen

Archaische Stimmung bei der Uraufführung von Michael Mautners neuestem Werk

Die Altacher Soireen rund um den Germanisten und Autor Willibald Feinig setzten ein starkes Zeichen. Weil ihn die tradierte Übersetzung des berühmten „Sonnengesangs“ von Franz von Assisi nicht zu hundert Prozent überzeugte, fasste er für ihn wichtige Passagen des „Cantico“ neu und beauftragte den Salzburger Komponisten Michael Mautner mit der Vertonung seines Textes. Die Klarinettistin Sandra Schmid sowie Christian Lebar an der Rieger-Orgel und der Chœur Angélique unter der Leitung der Sopranistin Angelika Kopf-Lebar brachten das speziell für diese Besetzung zugeschnittene Werk erstmals zum Klingen. Verbunden mit Texten von Julien Green, die Einblicke in das Leben des Franz von Assisi boten, entfaltete sich in der Pfarrkirche Altach eine feierliche, ritualhafte Stimmung.

Michael Mautner komponierte über den Text zur Lobpreisung der Schöpfung, der Natur, Tier- und Pflanzenwelt eine eingängige Musik. Eine Schlüsselrolle spielte Sandra Schmid an der Klarinette, deren Part wie ein Bindeglied zwischen den melodischen Linien des Soprans und der harmoniebildenden Orgel eingesetzt war. Das Werk verströmte einen abgerundeten und in sich ruhenden Charakter. Diesen unterstrich Christian Lebar an der Orgel mit warmen Registerfarben, die hervorragend mit der Klarinettenstimme und auch mit der Sopranistin harmonierten.
Die Chorpassagen setzten Akzentuierungen, hoben bedeutende Textpassagen hervor und wirkten über weite Strecken Zusammenhang stiftend. Die Harmonik sowie Tonfortschreitungen, die jede einzelne Silbe betonten, verstärkt durch die vielen parallelgeführten Stimmen in Quinten und Quarten, verliehen der Musik einen mittelalterlichen, archaischen Touch.
Abwechslung boten jene Stellen, in denen das Wasser, die Luft und der Wind gepriesen wurden. Über bewegte Trillermotive und kleingliedrige melodische Floskeln wurde der musikalische Duktus belebt. Den Höhepunkt setzten die Musiker:innen und Sänger:innen in jenen Passagen, in denen die gegenseitige Hilfe der Menschen füreinander ausgedeutet wurde. Aufhorchen ließen auch die „tonlosen“ Passagen, in denen vom Tod die Rede war. Hier nahm die Musik durch das Flüstern und Sprechen des Chores eine fahle Farbe an und verstärkte den Ausdrucksgehalt der Musik umso mehr, lediglich die erklingenden Rasseln relativierten diesen Eindruck etwas.
Gut, dass der Text des „Sonnengesanges“ auf dem Programmzettel abgedruckt war, denn der Chor sang wenig textdeutlich. Angelika Kopf-Lebar gestaltete den Sopranpart mit viel Emotion, wirkte aber in sich eher wenig geerdet. Wahrscheinlich war dies der Doppelrolle als Dirigentin und Sopranistin geschuldet, die mitunter Hektik in die rituelle Musik einbrachte. Gut nachvollziehbar waren bei der Werkpräsentation die große Ernsthaftigkeit aller Mitwirkenden und der Wille zur aussagekräftigen Deutung der Musik.
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inbettet war Michael Mautners „Sonnengesang“ in einen naturhaften Klangteppich, der Naturaufnahmen aus der Örflaschlucht sowie Improvisationen von Sandra Schmid an der Klarinette und Christian Lebar an der Orgel zusammenfügte. Die auf diese Weise ausgebreiteten Klänge führten die vielen Zuhörenden in der Pfarrkirche Altach in eine passend naturhafte Szenerie ein und es entfaltete sich im Kirchenraum eine feinsinnige Atmosphäre.
Vor der Uraufführung interpretierten Angeilka Kopf-Lebar und Sandra Schmid die 2. Sonate aus Telemanns „6 kanonischen Sonaten“. Die Werke sind eigentlich für zwei Flöten oder Violinen komponiert und dementsprechend kam in der Interpretation mit Sopran- und Klarinettenstimme die typische Imitationstechnik etwas wenig zur Geltung.
Willibald Feinig hat sich viele Gedanken zur Neuübersetzung des „Sonnengesanges“ des Franz von Assisi gemacht und eine stimmige Adaption angefertigt, in die einige wenige neue Passagen eingefügt wurden. Dass der Text nun durch eine musikalische Fassung „veredelt“ worden ist, war eine hervorragende Idee.
Gelesene Textpassagen aus der Franziskus-Biografie von Julien Green rundeten die gut durchgestaltete, kontemplative Stunde ab.