Neu in den Kinos: „The Substance“ (Foto: Mubi)
Peter Füssl · 23. Apr 2023 · Musik

Phantasievoll und eingängig – Owls am Spielboden

Die Pandemie hat die Zeitpläne vieler Musiker:innen ganz schön durcheinander gewirbelt. So war auch das hervorragende, unter starker Vorarlberger Beteiligung entstandene Album „Wendolins Monocle“ des Trios Owls schon längere Zeit als Silberling auf dem Markt erhältlich, bis jetzt endlich das Präsentationskonzert am Dornbirner Spielboden über die Bühne gehen konnte. Dafür hatte man nun gleich auch schon die nagelneue Vinyl-Edition des Albums im Gepäck – und gute Musik ist ohnehin zeitlos.

Veronika Morscher solo zur Einstimmung

Als willkommene Überraschung eröffnete die aus Lauterach stammende, in Köln lebende Sängerin Veronika Morscher, die am renommierten Berklee College of Music in Boston, anschließend auch in Wien und Köln Gesang studierte, den Abend mit Auszügen aus ihrem Solo-Programm „Solitary Bird“. Ihre Songs, die sie immer mit kleinen Geschichten zu deren Entstehung vorstellte, widmete sie allen während der Pandemie vereinsamten Menschen. Sich selbst am Flügel begleitend, vermochte Morscher ihre ausdrucksstarke Stimme mit „klassischem“, Pop-orientiertem Singer-Songwriting auf angenehme Weise ins beste Licht zu rücken. Eine schöne Einstimmung – der man gerne auch noch länger gelauscht hätte – für das mit phantastischen Geschichten garnierte Owls-Programm.

Drei Eulen und ein Singvögelchen

Musikalisches Mastermind des Trios und Schöpfer des überwiegenden Teils der Kompositionen ist der Pianist Simon Oberleitner, der auch unterhaltsam und informativ durch den Abend führte. Mit einem sicheren Gespür für eingängige Melodien, interessante Harmonien und effektvolle Spannungsbögen ausgestattet, erweiterte er sein ausdrucksstarkes, geschickt mit allerhand Raffinessen verfeinertes Spiel am Piano durch gleichermaßen einfallsreiche wie wirkungsvolle, live eingespielte Loops. An den Drums sitzt der Dornbirner Konstantin Kräutler-Horváth, der nach seinem Musikstudium in Wien und ebenfalls am Berklee College of Music in Boston noch längere Zeit in der Donaumetropole gelebt und gearbeitet hatte und mittlerweile wieder nach Vorarlberg zurückgekehrt ist. Als exzellenter Timekeeper beweist er große Sensibilität und jede Menge Einfallsreichtum, kann es zum richtigen Zeitpunkt aber auch reich an Dynamik ordentlich krachen lassen. Oberleitner und Kräutler-Horváth sind längst bestens aufeinander eingespielt, neu im Trio ist hingegen der aus der Schweiz stammende und in Wien lebende Andreas Waelti, der den langjährigen Kontrabassisten David Ambrosch ersetzte und am Spielboden seinen ersten öffentlichen Owls-Auftritt absolvierte. Eine ausgesprochen anspruchsvolle Aufgabe, denn die Rolle des Bassisten geht bei den Owls klarerweise weit über die übliche Begleitfunktion hinaus. Aber Waelti fand rasch ins Spiel, rundete den musikalischen Dreier stimmig ab und konnte für einige Soli spontanen Applaus einheimsen.  
Veronika Morscher schrieb die Lyrics zur philosophisch-wissenschaftlich-märchenhaften Geschichte des jungen Wendolin, der mit seinem ganz speziellen Monocle nicht nur die Grenzen zwischen Mikro-, Makro- und Mesokosmos überschreiten kann, sondern gleich auch noch das Zeitempfinden zu manipulieren vermag. Neben den Songs kam ihre geschmeidige und wandlungsfähige Stimme aber auch vielfach instrumental zum Einsatz – teils auch als Ersatz für den ebenfalls auf der Platte vertretenen, erstklassigen Trompeter und Kornettisten Herbert Walser-Breuß, der für diesen Abend krankheitsbedingt leider absagen musste.

Unterschiedliche Zugangsebenen

Das Konzert wurde mit dem quicklebendig davontrabenden, sich kurz in mystische Gefilde verlierenden „Moss and Stone“ gestartet, wobei man sich in den Blickwinkel eines Winzlings hineindenken konnte, der durch einen gigantischen Wald aus Moos wandert. Das cool groovende „The Root“ wiederum lädt dazu ein, sich ins Wurzelgeflecht eines Baumes hineinzuversetzen und den Wurzeln bis in die feinsten Verästelungen hinaus zu folgen. Wundervoll tänzelnd, Zeit und Raum entrückt, malen die Owls mit feinen Pinselstrichen den „Walzer der tanzenden Pfauenfeder“. Gleichermaßen farbenreich ist das Klanggemälde „The Storm“, naturgemäß mit Dramatik und rollenden Trommeln aufgeladen – auf Platte übrigens  ein Paradestück für Walser-Breuß. Das mit einem stimmungsvollen Drum-Solo startende „Prunus Serrulata – And Suddenly Silence ...“ ist der gleichnamigen japanischen Blütenkirsche gewidmet, die nur kurze Zeit blüht, was zum Gedankenexperiment verleitet, sich genau jenen kurzen Moment vorzustellen, an dem das Alte vergangen und das Neue noch nicht angefangen hat. Soundmäßig etwas aus der Reihe tanzte das an ein Märchen von Oscar Wilde angelehnte „The Fisherman And His Soul“ mit von Morscher rezitierten Textpassagen, effektvollen Pianotönen und dem tönernen Klang der von Kräutler-Horváth mit bloßen Händen gespielten, vasenförmigen, nigerianischen Udu.
All diese Gedankenspiele einzubeziehen, eröffnet im besten Fall eine zusätzliche, reizvolle Ebene des musikalischen Genusses, aber selbstverständlich ist die abwechslungsreiche, mit dezenten Effekten gespickte Musik der Owls auch ohne jegliches Hintergrundwissen höchst vergnüglich anzuhören. Mit der wundervoll ruhigen Ballade „Blessing“ als Zugabe verabschiedete sich das an diesem Abend über weite Strecken zum Quartett erweiterte Trio vom begeisterten Publikum. Im Laufe des Abends wurden aber auch schon Titel vom bereits in Arbeit befindlichen nächsten Album präsentiert – vielleicht trägt dann wieder jemand Eulen an den Spielboden, der ja bekanntlich nicht in Athen liegt.