Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Thorsten Bayer · 18. Sep 2014 · Musik

Weiterentwicklung mit „Existensminimum“ – Velojet bringen die finnische Weite in die Spielboden-Kantine

Ganz so schwermütig, wie es der Titel des Openers des neuen Albums und des Konzerts erwarten lässt, wird es dann doch nicht: Mit „The Manic Depression Show“ beginnen die vier Wahlwiener eine begeisternde Show am Spielboden. Die Stücke ihres neuen Albums „Panorama“, das auf einer kleinen finnischen Insel entstand, stehen im Zentrum des Abends. „Alles zulassen“ – das war für Bandleader René Mühlberger die Idee hinter der neuen Produktion. Eine Idee, die Velojet eindrücklich umgesetzt haben.

Auf „Panorama“ gehen Sänger und Gitarrist Mühlberger, Marlene Lacherstorfer (Bass), Michael Flatz-Lind am Schlagzeug und Lisi Neuhold (Keys) neue Wege. „Plötzlich werden für die immer fröhliche, gut gelaunte Band andere Dinge wichtig – so wie der klangliche Forscherdrang und das Reisen. Der Soundtrack für jede potentielle Insel, auf der man von Zeit zu Zeit dem Alltag entflieht, ist nun vollendet“, heißt es im Pressetext. Die Sixties bleiben ein wichtiger Einfluss, das ist deutlich hör- und sichtbar. Zum Beispiel am golden schimmernden Oberteil des Frontmans, der zudem mit seiner Frisur und vor allem mit seinen musikalischen Qualitäten die Gallagher-Brüder schnell vergessen lässt. Wie bei Oasis zählen die Beatles zu den wichtigsten musikalischen Einflüssen der Band – die Reise in einem Kleinbus aus den 60er-Jahren bezeichnet sie passenderweise als eigene „magical mystery tour“.

„Viel Weite, viel Luft“

Diese Tour führte die vier sympathischen Künstler schließlich nach Aland – auf eine Inselgruppe mit 16 Gemeinden, zu denen mit Sottunga (102 Einwohner) die kleinste Gemeinde Finnlands zählt. Dort nahm sie Magnus Henriksson aka Existensminimum unter seine Fittiche und produzierte „Panorama“. „Wir haben einen Produzenten gesucht, der uns weiterbringt“, erzählt Mühlberger nach dem Konzert am Spielboden. „Für uns geht es darum, das Hirn aufzumachen und alles zuzulassen.“ In diesem Sinne könne er auch mit dem Etikett „Psychedelisch“, das vielfach für das neue Album verwendet wird, leben. Alle Sachen zuzulassen, darum gehe es ja auch in der Psychedelik. Im August 2012 entstand auf Aland binnen drei Wochen ein beeindruckendes Album, dem man die Landschaft förmlich anhören kann. „Wir sind die finnische Weite, die Luft und den Nebel gewohnt“, sagt Mühlberger nach einigen Stücken und bittet um gedämpfteres Licht. Viel dunkler wird es daraufhin nicht – aber immerhin (kunst-)nebliger.

Viel Herzblut

Das dritte Stück am Spielboden ist gleich eines ihrer bekanntesten: „Angeldust“, die erste Auskopplung aus dem neuen Album mit seinem hypnotischen, an die Cardigans erinnernden Elektro-Riff. Die vier Musiker legen auf der Bühne viel Herzblut in ihren Auftritt und hätten deutlich mehr Publikum verdient. Ihnen ist überhaupt kein Vorwurf zu machen. Wahrscheinlich haben sie an diesem Mittwochabend darunter zu leiden, dass die FM4-Gemeinde hierzulande leider nicht groß genug ist, um zwei zeitgleiche Veranstaltungen in derselben Stadt auffangen zu können. Stermann und Grissemann treten parallel mit ihrem Loriot-Programm im Kulturhaus Dornbirn auf.
Anders als die beiden Kabarettisten bringen Velojet aber eigenes, originäres Material auf die Bühne. Hits wie „Cold hands“, wochenlang Nummer 1 der FM4-Charts, oder das eine oder andere Stück vom Vorgängeralbum „Heavy Gold And The Great Return Of The Stereo Chorus“ aus dem Jahr 2010. Der Einschätzung des Kollegen von the gap ist aus meiner Sicht nicht viel hinzuzufügen: „Die Position des Quartetts aus Steyr, Oberösterreich im Austro-Zirkus ist so unbestritten wie unbestreitbar – ziemlich weit vorne. Nacheifern tun viele, nachkommen werden die meisten nicht so schnell. Warum? Weil Velojet neben viel Airplay und sympathischen Live-Konzerten auch noch ein konstant hohes Level halten, gerade wieder mit ihrem vierten Album in acht Jahren, auf dem sie sich stilistisch vollkommen treu bleiben und auch weiterhin ohne dieses superhippe, moderne Elektrozeug auskommen.“