Musikalisch sehr reif, im Auftreten etwas überheblich – Jazzkantine im Conrad Sohm
„Wir bringen unser Wohnzimmer mit und wollen mit jedem Gast anstoßen“. Dieses Ziel hat die Jazzkantine zur 2014er-Tournee ausgerufen. 20 Jahre besteht die Band aus Braunschweig, der zweitgrößten Stadt Niedersachsens, bereits. Zu ihrem Jubiläum kamen die aktuell sieben Musiker am gestrigen Samstagabend ins Conrad Sohm nach Dornbirn.
Was ist Jazz? Diese Frage stellte die Band im Intro des Debüt-Albums 1994. Als Vorbild und Inspiration geben sie das Band-Projekt Jazzmatazz an. Auch heute noch haben die Künstler rund um den Bassisten Christian Eitner viel Freude daran, Antwortmöglichkeiten anzubieten – um schließlich doch die Frage offenzulassen. Das Projekt war und ist der Versuch, Musiker, Rapper und DJs aus unterschiedlichsten Lagern zusammenzuführen. „Nach all den Jahren stehen wir doch immer noch relativ allein mit einer Mischung aus deutschen Texten, Funk, Soul, HipHop, aber auch Jazz und Blues. Dadurch schwindeln wir auch ein wenig mit unserem Namen. Wir spielen keinen Jazz, der wehtut“, sagte Eitner in einem Interview auf focus.de im Vorjahr. Punkt 21 Uhr betreten die sieben Herren – alle in schwarzen Anzügen und schwarzen Adidas-Sneakern – die Bühne. „Wir haben noch Hunger, Hunger. Wir sind noch lange nicht satt“, rappen Cappuccino und Tachi gleich dem Publikum entgegen. Soll bloß keiner denken, dass die Band schon etwas altersmüde geworden ist.
Das Beste aus der Speisekammer
Ihren Bandnamen nehmen sie sehr ernst, nicht zuletzt den zweiten Wort-Teil. Gastronomische Anspielungen fallen immer wieder. Eitner wird im Pressetext als Chefkoch („einer Band, die eigentlich gar keine sein sollte“) bezeichnet, Frontman Cappuccino kündigt an, das Beste aus 20 Jahren aus der Speisekammer zu holen – und einer der Höhepunkte des Konzerts ist passenderweise eine Cover-Version von Spliffs „Carbonara“, einem Klassiker der Neuen Deutschen Welle aus dem Jahr 1982. Schnell wird klar, dass man es mit einer sehr präzisen Band zu tun hat, die noch lange nicht in Routine erstarrt ist und sich auf ihren Lorbeeren – z. B. die Auszeichnung mit dem Deutschen Weltmusikpreis RUTH 2013 – ausruhen möchte.
Luft nach oben
Handwerklich sind sie zweifellos sehr stark, insbesondere Gitarrist Tom Bennecke und Heiner Schmitz am Saxophon. Trotzdem: Irgendetwas fehlt mir bei dieser Show. Mag sein, dass die Sympathiewerte durch den arg selbstgefällig wirkenden Cappuccino begrenzt sind. Oder aber es ist die Qualität der Texte, die – nun ja – hier und dort ausbaufähig ist. Hier ein Beispiel aus dem oben bereits erwähnten Song „Es ist Jazz“: „Jazz ist auch so viel, daß ich mich beschäftige damit / lerne Schritt für Schritt, den Einritt, ein Ritt / durch ein unbekanntes Land / schon lange stand Jazz mit Hip Hop in Verbindung / wie Mischung in 'nem Gefäß, ahh, jaa, / das Gefühl ist da, eine Substanz gemischt mit einem Spiritual / durch jede Enge in die Menge verdränge ich meine Bänge / Aleksey, Phase V, nur Respekt und Jazzklänge“. Hm.
Experimentierfreude
In den vergangenen Jahren hat die Jazzkantine mit vielen namhaften Musikerkollegen zusammengearbeitet. Ein Beispiel ist Smudo von den Fantastischen Vier, der am Hit „Respekt“ mitarbeitete. Hinzu kamen unter anderen Till Brönner, Such a Surge, Selig, Max Mutzke, Xavier Naidoo und Götz Alsmann. Christian Eitner, Jahrgang 1966, arbeitet übrigens regelmäßig als Komponist, Arrangeur und Musikalischer Leiter von Bühnenmusik am Theater. Seit 2007 ist er künstlerischer Leiter bei „Pop meets Classic“ in Braunschweig. Positiv bleibt auf jeden Fall festzuhalten, dass die Jazzkantine-Musiker keine Berührungsängste mit anderen Stilrichtungen kennen und sehr experimentierfreudig sind. 2012 nahmen sie das Album „Jazzkantine spielt Volkslieder“ auf, z. B. mit „Im Frühtau zu Berge“ und „Die Gedanken sind frei“. Vier Jahre zuvor hatten sie sich auf „Hell´s Kitchen“ erfolgreich Material von Black Sabbath, AC/DC, Kiss und Van Halen vorgenommen.
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