Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Silvia Thurner · 08. Mai 2017 · Musik

Musik mit gespitzten Ohren wahrnehmen – das Porträtkonzert von Alexander Moosbrugger fand viel Resonanz

Das Porträtkonzert mit Musik des Komponisten Alexander Moosbrugger im Angelika Kauffmann Saal in Schwarzenberg war ein großes künstlerisches Ereignis. Um dies möglich zu machen, haben das Kulturforum Bregenzerwald und der Verein „allerArt“ die Energien gebündelt. Der Einladung folgten viele Musikinteressierte und schließlich konnten sich alle über ein hierzulande außergewöhnliches und erfolgreiches Konzert mit ganz aktuellen Werken freuen. Das Diotima Quartett aus Paris faszinierte mit seiner souveränen Spielart und auch das Salzburger Ensemble „oenm“ begeisterte die Zuhörenden. Unterhaltsame und fundierte Einblicke in den musikalischen Kosmos des Komponisten gab der Musikwissenschaftler Wilhelm Matejka.

Alexander Moosbrugger beschäftigt sich in seiner Musik mit den physikalischen Gesetzmäßigkeiten zusammenklingender Töne. Ihn faszinieren die Schwingungsverhältnisse zwischen den Tönen und Wesenszüge von Stimmungsmodellen aus früheren Jahrhunderte. Mikrotonales Komponieren ist international weit verbreitet, jedoch hierzulande wenig bekannt. Deshalb wurden wohl manche Zuhörenden im Angelika Kauffmann Saal in eher unbekannte Hörwelten geführt. An der Schnittstelle zwischen den Musikdarbietungen und der Kompositionsweise von Alexander Moosbrugger leistete Wilhelm Matejka hervorragende Dienste. Mit klugen Worten leitete er das Publikum zu den Werken hin und erleichterte damit das Hörverständnis wesentlich.

Ungewöhnliche Stimmungen

Die „¼ Komma mitteltönige Stimmung“ teilt die Oktav in 19 anstatt in die heute üblichen 12 Tonschritte. Darauf beruhten fast alle an diesem Abend aufgeführten Kompositionen. In der Barockzeit stand für die mitteltönige Stimmung ein extra dafür gebautes Instrument zur Verfügung, das sogenannte Cimbalo Cromatico. Für dieses Instrument hat Gioanpietro del Buono das Werk „Stravagante“ komponiert. Alexander Moosbrugger richtete die Musik für Streichquartett ein und transferierte damit die damals gebräuchliche Stimmung in unsere Tage. Auch Guillaume Costeleys ansprechendes Chanson „Seigneur Dieu ta pitié“ hat Alexander Moosbrugger in mitteltöniger Stimmung für Streichquartett, Flöte, Oboe, Bassklarinette und Midi-Klavier gesetzt.

Um das Publikum mit dieser ungewöhnlichen Intonation vertraut zu machen, musizierte das Diotima Quartett del Buonos „Stravagante“ gleich zwei Mal. Nicht zuletzt deshalb wurde das Porträtkonzert zu einem eher langen musikalischen Abenteuer. Gleichzeitig zeigte sich in der Wiederholung, dass jede Interpretation ein singuläres Ereignis darstellt.

Architektur in der Musik

Höhepunkt des Konzertabends war die Interpretation des Werkes „19 oder die Entdeckung der Decke“. Dieses Werk komponierte Alexander Moosbrugger im Auftrag der Biennale Venedig vor zwei Jahren, nun war es erstmals mit Musikern des Diotima Quartetts sowie Irmgard Messin (Flöte), Markus Sepperer (Oboe), Theodor Burkali (Bassklarinette), Rupert Struber (Perkussion) und Alexander Bauer (Midi-Klavier) vom „Österreichischen Ensemble für neue Musik“ in Österreich zu hören.

Das vielgestaltig angelegte Werk - inspiriert vom Treppenhaus der Würzburger Residenz - entfalteten die Musiker feinsinnig und mit viel Konzentration aufeinander. Spannend wurden der musikalische Raum abgetastet und unterschiedliche Bezugspunkte gesetzt. Immer wieder neu gesendete Impulse wurden von jeweils anderen Instrumenten übernommen, weiter gesponnen und wie ein schimmerndes Kaleidoskop durch das Zusammenwirken in unterschiedlichen Projektionsflächen gespiegelt. Reizvoll wirkte der Mittelteil der bogenförmig angelegten Komposition, in dem die vorhin auf einer 19-stufigen Skala abgebildeten Töne in rhythmische Klickergeräusche übertragen wurden.

Diese Werkdeutung verlangte von den Konzertbesucherinnen und –besuchern viel Konzentration und offene Ohren. Wer das fragile musikalische Geflecht auf sich wirken lassen konnte, erlebte eine Musik, die von der spezifischen Klarheit und Strahlkraft der zusammenklingenden Töne lebte.

Alexander Moosbrugger bezieht seine Inspiration auf unterschiedliche Weise aus der musikalischen Tradition. Dies kam auch in „books – Encore für Klavier“ zum Ausdruck. Klangsinnlich deutete der Pianist Alexander Bauer die Musik aus, allerdings beeinträchtigte das quietschende Pedal die Darbietung empfindlich.

Intonation ist gleich Ausdruck

Zum genauen Hinhören motivierte auch das Streichquartett „restaurer qc.“, das Alexander Moosbrugger im Auftrag des Diotima Quartett komponiert hat. Yun-Pen Zhao und Constance Ronzatti (Violine), Franck Chevalier (Viola), Pierre Morlet (Violoncello) musizierten das komplex angelegte Werk mit einer grazilen Tongebung wie man sie selten erlebt. Die jeweiligen Klangcharakteristika der vierteilig angelegten Komposition kristallisierten sie durchsichtig und gut nachvollziehbar heraus. Im ersten Abschnitt wirkten die auf dem Griffbrett gestrichenen Töne wie eine Projektionsfläche. Kristallin erklangen die col legno getupften Töne, die die Sinne schärften. Reizvoll entwickelte sich das Werk, indem die Töne in Glissandi geführt wurden, Schwebungen und „stehende“ Klänge sowie gegenläufige Bewegungsmuster und Bogendruckverhältnisse veränderten dabei stetig die Tonqualitäten.

Das Publikum ging konzentriert und mit bewundernswerter Ruhe – ohne Rascheln, Räuspern und Husten - auf die Musikdarbietungen ein, so dass sich eine dichte Konzertatmosphäre entwickelte. Ein bedeutender Hinweis zum Hören hatte zuvor Wilhelm Matejka parat, als er betonte, dass in Alexander Moosbruggers Werken die Intonation gleich dem Ausdruck sei.

Experimentierfreudig

Der letzte Abschnitt des Streichquartetts „restaurer qc.“ und das 4-Kanal-Zuspiel „Alignement“ von Thomas Kessler und Alexander Moosbrugger bildeten eine interessante Achse, denn bei beiden haben die Kontrapunktstudien des Mozart-Schülers Thomas Attwoods als Ausgangspunkt gedient. Alexander Moosbrugger hatte Attwoods Kontrapunktstudien mittels Sinusgenerator bearbeitet und daraus ein Klangband geformt. Zuerst wirkte dieses wie ein Bordun, danach nahm die Musik mit glucksenden Lauten einen mitteilsamen Charakter an und schließlich wurden mit Annäherungen und Entfernungen räumliche Perspektiven ausgelotet. Die darüber gelagerten gesprochenen Kommentare aus den Notizbüchern verliehen dem „Hörspiel“ eine humorvolle Note.