Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 05. Aug 2010 · Musik

In Trance mit „Kunst aus der Zeit“ - Musikalische Einblicke in eine vergangen geglaubte Zeit im Seestudio

Zum Konzert des „österreichischen ensembles für neue musik“ bei den Bregenzer Festspielen wurden die BesucherInnen in ein ungewöhnliches Ambiente geführt. Am Boden, mit dicken Polstern gewappnet, und auf einladenden Teppichen sitzend, wurde zur Musik von John Adams und Fausto Romitelli geladen. Das Publikum nahm die Einladung an und fühlte sich teilweise zurückversetzt in eine längst vergessene Zeit der Hippiekultur und Flower-Power-Bewegung.

Unter der Leitung von Titus Engel musizierte das Ensemble „oenm“ zuerst das berühmte Stück „Shaker Loops“, das den Komponisten John Adams auch hierzulande bekannt gemacht hat. In diesem Schlüsselwerk der so genannten Minimalmusic zeichnete Adams die inneren Wirkzusammenhänge der rituellen Schütteltänze der Quäker nach, mit denen sich diese bei der Gottesverehrung in Trancezustände versetzen. Das Streichseptett mit drei Violinen, Viola, zwei Violoncelli und Kontrabass setzte schnell einen Energiefluss mit repetitiven Pattern in Gang, der dynamisch gut austariert war. Aus dem Kontinuum brachen immer wieder Flageoletts in der Violine und im Kontrabass aus. Glissandi und das Spiel mit Obertönen bewirkten eine pendelnde Klangbalance, die zu tremolierenden Klängen gesteigert wurde. Das Wiederhören dieses Werkes im Ambiente des Seestudios hatte seine Reize, allerdings ist diese Musik meiner Meinung nach prädestiniert dafür, in Bewegung wahr- und aufgenommen zu werden.

Außergewöhnliche Verbindungslinien



Dieser Eindruck verstärkte sich noch in Fausto Romitellis Werk „Professor Bad Trip“ Lesson I, II und III (1998-2000). Surrealistisch und expressiv in der Anlage, stützte sich der viel zu früh verstorbene Komponist in diesem Werk für Flöte, Klarinette, Trompete, Schlagwerk, Klavier, E-Gitarre, E-Bass, Violine, Viola, Violoncello und Elektronik auf Texte und Bilder von Henri Michaux sowie Francis Bacon. Dass Romitelli eine außergewöhnliche Klangsprache zur Verfügung stand, zeigte sich von Beginn der Darbietung an. Natur- und Umweltschall wurden ebenso in die Musik einbezogen wie die Obertöne einzelner Instrumentalstimmen und deren Verschmelzung. Auch die Elektronik spielte eine bedeutende, jedoch nicht immer überzeugende Rolle. Besonders spannend waren jene Passagen, in denen vielschichtige Ereigniseinheiten in unterschiedlichen zeitlichen Schichten abliefen und sich die Zuhörenden individuell ausgewählten und stets gleichberechtigten Hörpfaden entlang hören konnten. Auch jene Ereignisse, die Auslöser für nachfolgende klangliche Reaktionen im Ensemble waren, hatten eine große suggestive Wirkung.

Oberflächliche Effekte



Die „Lesson II“ des „Professor Bad Trip“ war jedoch wenig überzeugend gestaltet und hinterließ einen eher oberflächlichen Eindruck. Vor allem die verzerrenden elektronischen Effekte, die beispielsweise das Violoncello in seinen solistischen Passagen über sich ergehen lassen musste, wirkten aufgesetzt.  E-Gitarre, E-Bass und Elektronik kamen hier auf eine Weise zum Einsatz, die nicht überzeugte.



Eindringliche innere Muster



Die „Lesson III“ hingegen stellte den Höhepunkt des Konzertes dar. Hier erklangen vom engagierten Ensemble die gegenläufigen Bewegungen, die so ineinander verflochten wurden, dass die Gestaltoberfläche konstant gleich bleibend zu hören waren. Gewichtungen in den musikalischen Ereigniseinheiten sowie die abschließende Reduktion auf den elementaren Pulsschlag hinterließen eine nachhaltige Wirkung. Romitellis Musik verwischt die Genregrenzen zu neuen Stilrichtungen der Clubszene auf interessante Weise. Hier tritt sie in ein Feld ein, das ich nicht zu beurteilen im Stande bin.