Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Silvia Thurner · 19. Okt 2013 · Musik

Große Lust am musikalischen Gestalten – Das Concerto Stella Matutina präsentierte ein herausragendes Programm, erreichte aber nicht die gewohnte musikalische Souveränität

Erstmals in der fünfjährigen Geschichte des „Concerto Stella Matutina“ (CSM), das sich bisher auf die sogenannte „Alte Musik“ konzentriert hat, lenkte das Orchester den Blick auf Werke von Ludwig van Beethoven und Carl Maria von Weber. Kai Köpp, Bratschist und Professor für „angewandte Interpretationsforschung“ an der Hochschule der Künste in Bern leitete das CSM bereits zum zweiten Mal. Im Mittelpunkt des anregenden Abends standen die beiden Solisten Lyndon Watts mit einem Nachbau eines historischen Fagotts und Petra Somlai am Hammerklavier. Die Energie und Konzentration jedes einzelnen Orchestermitglieds, um die Darbietungen zu einem stimmigen Ganzen zu formen, waren spürbar. Dennoch ließen die Werkdeutungen Wünsche offen.

Der Tradition der historischen Aufführungspraxis folgend trat das "Concerto Stella Matutina" bislang stets ohne Dirigent auf. Dahinter steht auch ein demokratisches Grundverständnis, das jede Einzelne und jeden Einzelnen als gleichberechtigten Teil innerhalb des Ganzen betrachtet. Auch beim Abonnementkonzert "Stella Matutina Romantica" mit Werken des 19. Jahrhunderts verzichtete das CSM auf einen Dirigenten. Vom Konzertmeisterpult aus gab Sylvia Schweinberger die Einsätze und der Bratschist Kai Köpp bot einen weiteren Anhaltspunkt für die Kommunikation zwischen den MusikerInnen.

Unkommunikative Aufstellung


Allerdings spielte das „Concerto Stella Matutina“ in einer völlig unkommunikativen Orchesteraufstellung. Am Bühnenrand „aufgefädelt" waren die dreiunddreißig MusikerInnen in zwei beziehungsweise drei Reihen postiert. Zuerst irritierte dieser Umstand, doch bald wurde er auch zur Erklärung für die Unschärfen der Interpretationen. Vor allem Beethovens Musik „Die Geschöpfe des Prometheus“, op. 43  erklang in einigen Teilen wenig ausgelotet. Themen und Motive kristallisierten sich nicht transparent heraus und dynamische Bögen sowie Übergangspassagen mit Temposchwankungen wirkten teilsweise etwas bemüht. Dabei wurde die Ballettmusik in einer höchst bemerkenswerten Fassung dargeboten. Florian Reichert deklamierte einleitend, zwischen den Sätzen und teilweise direkt verwoben mit der Musik, eine melodramatische Textfassung von Gabriel Seidl und bereicherte damit die Musik wirkungsvoll.

Atemberaubender Fagottist


Während den vergangenen fünf Jahre entwickelte Lyndon Watts mit Kollegen an der Hochschule der Künste Bern einen Nachbau eines klassischen Fagotts nach dem Pariser Fagottbauer Jean-Nicolas Savary Jeune. Lyndon Watts selbst präsentierte das Instrument mit der Interpretation des „Andante e Rondo Ungarese“ für Fagott und Orchester, op. 35 J. 158 von Carl Maria von Weber. Mit seinem atemberaubenden Spiel und seinem Charisma zog er die Zuhörenden in seinen Bann. Dem Fagott entlockte er Töne, die ich so noch nie gehört habe. Über einem sonoren, erdigen Bassregister entwickelte das Fagott in den Mittellagen einen warmen, fast oboenartigen Klang und strahlte in den hohen Registern mit einem Obertonspektrum, das an eine Trompete erinnerte. Der Solist musizierte mit einer Leichtigkeit, die Staunen machte. Sympathisch stellte Lyndon Watts seine virtuose Spieltechnik in den Dienst der musikalischen Werkdeutung.

Das „Concerto Stella Matutina“ war dem Solisten ein guter Partner. Im gemeinsamen Wirken entwickelte sich eine mitreißende Darbietung. In der bis auf den letzten Platz besetzten Kulturbühne AmBach wurden Lyndon Watts und das Orchester stürmisch gefeiert.

Gute Solistin und effektvolle Finalwirkung


Ludwig van Beethovens Fantasie für Klavier, Chor und Orchester, op. 80, die sogenannte Chorfantasie, verströmte abschließend eine große Finalwirkung. Den Solopart spielte Petra Somlai am Hammerklavier. Es war ein Ereignis, ihr zuzuhören, denn einesteils hört man heutzutage selten ein Hammerklavier wie es Beethoven zur Verfügung gestanden ist, andernteils ging von der Solistin eine große interpretatorische Kraft aus. Sie modellierte ihren Part energiegeladen, artikulierte die Themen feinsinnig und mit einer starken linken Hand, die der Musik ein gutes Fundament verlieh. Aufhorchen ließ darüber hinaus die ebenmäßige Art, mit der Petra Somlai die Triller ausgestaltete. Sie stellte ein Zentrum dar, von dem aus sich die ereignisreiche Musik dem Höhepunkt zubewegte. Der Kammerchor Feldkirch unter der Leitung von Benjamin Lack formte den hymnischen Chorpart plastisch und textdeutlich aus.

 

Tipp
Ausschnitte des Konzertes sind am Sonntag, 3. November um 20:04 Uhr im Programm Radio Vorarlberg „Konzert am Sonntag“ zu hören.