Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Thorsten Bayer · 08. Feb 2013 · Musik

Frostig-fröhlich statt feucht-fröhlich: Efterklang brachten das Nordpolarmeer nach St. Gallen

Einen anspruchsvollen und sehr sympathischen Kontrapunkt zum omnipräsenten Karnevalswahn setzte die dänische Indie-Band Efterklang am Donnerstagabend im Palace St. Gallen. Der Kontrast zu schlichter Schunkelmusik und Pappnasen hätte kaum schärfer ausfallen können: Die komplexen Songs von Efterklang erschließen sich auch live nicht ohne Weiteres. Doch genaues Hinhören lohnt sich: Die Band macht ihrem Namen, der übersetzt „Nachhall“ bedeutet, alle Ehre.

Die komplette Alternative- und Hipster-Gesellschaft von St. Gallen schien auf den Beinen zu sein. So voll ist das Palace am Blumenbergplatz wohl selten zu sehen. Efterklang haben offensichtlich bei ihrem letzten Auftritt einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Damals, 2008 beim Nordklang-Festival, traten sie noch in Jägerjacken mit Pfauenfedern auf. Nun haben sie sowohl etwas ihre musikalische Ausrichtung als auch ihr Outfit geändert. Sänger Casper Clausen gibt mit blassbraunem Jackett, tiefroter Fliege und Weißweinglas den formvollendeten Dandy. Geblieben ist hingegen die gewinnende Art der Musiker. Die drei Gründungsmitglieder Casper Clausen, Mads Brauer (Synthesizer) und Bassist Rasmus Stolberg wuchsen zusammen in Kopenhagen auf. 2010 zogen sie nach Berlin um. Auf ihrer Tournee werden sie von Sängerin Katinka Fogh Vindelev, Drummer Tatü Rönkkö und Peter Broderick an Keyboards und Gitarre unterstützt.

Miss Piggy auf Spitzbergen

„Piramida“, ihr neuestes und viertes Studio-Album, steht natürlich im Fokus ihres Auftritts. Seine Entstehungsgeschichte ist durchaus bemerkenswert: Piramida ist der Name einer ehemaligen russischen Bergarbeitersiedlung auf der Insel Spitzbergen, 1.000 Kilometer vom Nordpol entfernt. Vor fünfzehn Jahren wurde sie über Nacht aufgegeben, seitdem ist sie zu einer Ruinenstadt geworden. 2011 kamen Efterklang für neun Tage in diesen norwegischen Außenposten im Polarmeer. Sie zeichneten die Klänge von rostigen Öltanks, eines staubigen Pianos oder Möwengeschrei auf. Aus den mehr als tausend Aufnahmen entwickelten sie später im Studio Rhythmen und Melodien. Was beispielsweise auf dem Track „Sedna“ wie eine Orgel klingt, ist eine Klangcollage, in der ein Kraftstofftank und der Flügel miteinander kombiniert sind. Ein nägelbeschlagenes Ölfass, das sie auf den Namen „Miss Piggy“ tauften, wurde zum Instrument umfunktioniert – zu hören in „Hollow Mountain“, dem ersten Song von Album und Konzert.

Einsamkeit und Melancholie

In Titeln wie diesem kommt Clausens wehmütiger Gesang, sein dunkles Timbre gut zur Geltung. Die Texte durchziehen Einsamkeit und Melancholie. „It’s impossible, when the night inverts us / And I wonder, I wonder, I wonder what I am / It’s destructible, but I know that someday / When I’m gone, I’m going, I’m going / I can’t face the pieces on fire” (Hollow Mountain). Die Songs auf „Piramida“ mit ihrem ätherischen, schwebenden Klang nehmen auf CD den Zuhörer sofort gefangen. Live ertönen sie mit deutlich mehr Druck – sehr zur Freude des begeisterten Publikums. In guten Momenten kann es die Band in ihrer Opulenz mit Arcade Fire aufnehmen. Doch so ganz können sich die Musiker nicht entscheiden; zwischen einem intimen, experimentellen Konzert einerseits und Tanzbarkeit andererseits. Leider bleibt so etwas Intensität auf der Strecke.

Smalltalk ist nichts für ihn

Die Vertrautheit der Künstler untereinander ist deutlich spürbar, wenn beispielsweise Stolberg seinen Bass gegen ein Keyboard austauscht oder Rönkkö spielerisch den elektronischeren Stücken ganz analog seinen Stempel aufdrückt. Leichte Kost ist das nicht, was Efterklang präsentieren, und ebensowenig ist Frontmann Clausen in seinen Moderationen für nichtssagendes Geplänkel zu haben. Er geht lieber gleich in die Vollen. „Is it true that there is a lot of radioactivity here?“, fragt er gut gelaunt in die Runde. Auch seine Beobachtung, Spitzbergen weise große Ähnlichkeiten mit St. Gallen auf – Kälte sowohl bei den Temperaturen als auch beim „human spirit“ –, ginge bei anderen Künstlern sicher schwer in die Hose. Bei ihm nicht: Diesem klugen, jungenhaft wirkenden dänischen Berliner kann kein St. Galler böse sein.

Übrigens: Mehr hörenswerte Sounds aus Skandinavien verspricht das Nordklang-Festival vom 22. bis 24. Februar in St. Gallen. Details auf www.nordklang.ch

www.palace.sg
www.efterklang.net