Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Thomas Kuschny · 14. Mär 2015 · Musik

Famos! Die Nels Cline Singers am Spielboden

„The World´s most dangerous Guitarist“ nannte ihn angeblich das Jazz Times Magazin. Wäre diese Auszeichnung wörtlich zu nehmen, gebührte sie wohl eher Andy Ex von „The Ex“, den man vor einigen Jahren im Wiener Porgy & Bess mit Hilfe seiner Axt zum Entsetzen des Publikums Aschenbecher und Biergläser von den Tischen fegen sah. Also nicht der „gefährlichste“ Gitarrist, aber mit Sicherheit einer der innovativsten und spannendsten im Moment!

Dabei war Nels Cline vor 11 Jahren schon drauf und dran, sich einen Brotberuf zu suchen, so gering waren seine Einkünfte trotz seines längst vorhandenen Renommees in einschlägigen Kreisen. Musiklehrer zu werden war keine Option, da der Autodidakt nach eigenen Angaben selbst alles falsch gelernt habe, keine Ahnung von diversen Techniken besitze und sowieso auch keine Disziplin. Die Erlösung kam in Form von Jeff Tweedy, dem Kopf der äußerst erfolgreichen Alternative Band „Wilco“, der ihm die vakante Gitarristenstelle anbot. So befreit von finanziellen Nöten, konnte Cline auch seinem schon drei Jahre zuvor gegründeten Projekt „The Nels Cline Singers“ wieder die gebührende Aufmerksamkeit schenken.
Gesungen wird hier freilich nicht allzuviel. Das Quartett ist allerdings instrumental formidabel besetzt. Drummer Scott Amendola ist ein Berserker vor dem Herrn, erzeugt mitunter eine Intensität, die Staunen macht. Am Bass werkt der souveräne Trevor Dunn, durch „Mr Bungle“ und John Zorn auf ungewöhnliche Aufgaben bestens vorbereitet, an den Percussions Cyro Baptista, dessen Sideman-Aktivitäten von Laurie Anderson über Daniel Barenboim und Sting bis Wynton Marsalis reichen und schließlich Cline selbst an Gitarre und Elektronik. Von ihm ist ja bekannt, dass er wie kaum ein anderer virtuosest mit Effekten umzugehen weiß, was diesmal vor allem an einer silbernen Wunderkiste, an der er vornehmlich hantiert, zu beobachten war. Sehr stilsicher schuf er damit die abstrusesten Klanggebäude, eine Fertigkeit übrigens, die gern unterschätzt wird.
Aber auch die restlichen drei erweitern ihr Spektrum beträchtlich durch reichliche elektronische Verfremdungen, sodass manchmal nicht mehr klar ist, was eigentlich von wem gemacht wird. Baptista erzeugt zusätzlich noch mit seiner Stimme allerhand Abgründiges und bedient neben dem üblichen exotischen Firlefanz, den südamerikanische Perkussionisten eben meist mit sich führen, auch schon mal einen Milchschäumer.

Ein spannender Sog


Die erste Stunde wird ohne Pause musiziert. Aus einem sehr verhaltenen repetitiven Beginn wird ein infernales Getöse, dieses verschwindet und mutiert zu einem prägnanten orientalischen Mini-Thema, das wiederum von sich steigernden rhythmischen Improvisationen irgendwo zwischen Swing, Latin und Rock abgelöst wird. Es folgen psychedelische Soundwalls, zartes Chet Baker Gesäusel von Cline persönlich, kurze NoWave-artige Gitarren-Stücke und ein finales Post-Rock Ungetüm, dessen Wucht viele einschlägige Genre-Bands locker in den Schatten stellt. Dicht verwoben durch Improvisation und Elektronik entsteht ein spannender Sog, wie ein Soundtrack zu einem avantgardistischen Film, den man schon immer einmal sehen wollte.
Die folgenden Stücke sind kürzer und einheitlicher. Clines Hang zu sehr einprägsamen Harmonien wird hier deutlich, natürlich immer konterkariert von mal zerstörenden, mal weiterführenden Noise-Attacken.

Schwer zu toppen


Nels Cline, der ja irgendwie aussieht wie der biedere Autoverkäufer Jerry Lundegaard in „Fargo“ von den Coen Brüdern, und seine Mannen sorgen hier für ein frühes Highlight dieser Saison, das schwer zu toppen ist. Ein herzliches Dankeschön!