„Blutauffrischung“ zum 25-Jahr-Jubiläum: Das „Collegium Vocale“ Lustenau startet mit neuer Dirigentin in die Zukunft
25 Jahre lang war das „Collegium Vocale“ ein wichtiger Bestandteil im Lustenauer Kulturleben, hat ein Projekt pro Jahr erarbeitet und dieses der Öffentlichkeit in einem oder mehreren Konzerten präsentiert. Alles auf solider Basis erarbeitet, ausgefeilt und nach bestem Können. Dennoch blieb man nur eine lokale Größe. Nun, zum Jubiläumskonzert vergangenen Sonntag in der Erlöserkirche, ist dieser Chor kaum mehr wiederzuerkennen. Er klingt plötzlich professionell wie nie zuvor, obwohl sich die 30 Sängerinnen und Sänger in freimütiger Selbstdefinition nach wie vor als Amateure bezeichnen. Der Grund liegt in einer Art „Blutauffrischung“ durch die Kirchenmusikerin Julia Rüf, die man sich als neue Dirigentin an Bord geholt hat und die nun mit sparsamen Mitteln, aber sehr effizient dem Chor jugendlichen Schwung, aber auch neue Qualitäten der Klang- und Sprechkultur eröffnet hat.
Ausgewogener Klang trotz Damen-Überschuss
Die 30-jährige Dornbirnerin hat am Landeskonservatorium Feldkirch Orgel (Elisabeth Zawadke) und Kirchenmusik studiert und ihre Ausbildung in Wien fortgesetzt, wo sie auch erste Erfahrungen als Chorleiterin sammeln konnte. Diese kommen ihr nun zugute, wenn sie beweist, dass mit sicher einstudiertem Handwerk auch ein anspruchsvolles Konzertprogramm mit geistlicher Chormusik zur Passion tadellos über die Runden zu bringen ist. Und dass ein Chor, bei dem mehr als doppelt so viele Damen wie Herren am Werk sind, bei entsprechend kundiger Führung eben trotzdem noch ausgewogen und in sich gerundet klingen kann. Übertriebene Gesten und Showgehabe sind dabei ihre Sache nicht – sie wirkt als ruhender Pol und wird, auch dank ihrer Musikalität, mit zunehmender Routine noch weiter an ihrer Aufgabe wachsen.
Gründungsdirigent im Jahre 1988 war Karl Matheisl, der den Verein über zwei Jahrzehnte verdienstvoll geleitet hat. Mit seiner Pensionierung hat der langjährige Lustenauer Musikschuldirektor vor einiger Zeit auch das Amt des Dirigenten beim „Collegium Vocale“ abgegeben, wo es nach einem kurzen Intermezzo durch Ivan Karpati nun Julia Rüf übernommen hat. Sie führt den eigenständigen, eher steinigen, aber interessanten programmatischen Weg so weiter wie von ihren Vorgängern vorgezeichnet. Andere mögen „Hits“ spielen wie Haydns „Schöpfung“, das „Collegium“ ist weiter auf der Suche nach wertvollen, aber vergessenen Raritäten der sakralen Chorliteratur in Programmen, aus denen in der Vergangenheit auch Uraufführungen des kürzlich verstorbenen Lustenauer Komponisten Rudi Hofer herausragten.
Bach-Orgelmusik als Rahmen für romantische Vokalmusik
So geht es diesmal in einem klug symmetrisch konzipierten Ablauf zunächst um romantische Chorliteratur, die eingerahmt wird von Bachs Fantasie und Fuge in c-Moll für Orgel mit dem jungen Michael Schwärzler aus Lindenberg/Allgäu, seit gut einem Jahr als Kantor, Organist und Chorleiter hauptamtlicher Kirchenmusiker in Lustenau-Rheindorf. Er gibt auch der freien Form der Fantasie den musikantischen Puls und der in genialer Polyphonie gestrickten Fuge die Virtuosität in der Beinarbeit und ist auch den folgenden Chorwerken ein feinfühliger und sicherer Begleiter mit sorgfältig ausgeklügelten Registrierungen.
In zwei Kompositionen von Felix Mendelssohn-Bartholdy tritt der Chor jeweils in einen dramatischen Dialog mit einer Solostimme. Die Hymne „Hör mein Bitten“ bringt den edlen Sopran der seit vielen Jahren in diesem Rahmen als Solistin tätigen Birgit Plankel farbenprächtig zur Wirkung, ausdrucksstark leuchtend kommt sie spielend gegen den vollen Chorklang und die Orgel an. Die „Drei geistlichen Lieder“ entwickeln sich zusammen mit dem schön timbrierten, voluminösen Alt von Eva Brugger-Walla aus scheuem Zögern zum mitreißenden Lobgesang Gottes in einem prächtigen Fugato. Der Chor entfaltet in beiden Werken erstaunliche Präsenz und Durchschlagskraft. Nur in Josef Gabriel Rheinbergers „Passionsgesang“ aus der höchsten Spielklasse romantischer Vokalmusik voll vertrackter Harmonik zeigen sich in kleinen Sauberkeitsdefiziten noch die momentanen Grenzen der Sänger und damit jene Dinge, an denen in Lustenau noch zu arbeiten sein wird.
Telemanns „Trauerkantate“ als Glanzpunkt
Die barocke „Trauerkantate“ von Georg Philipp Telemann im Altarraum schließlich wird zu einer glänzenden Demonstration gemeinsamer Leistungsfähigkeit. Ein Barockensemble von ausgewählten Musikern auf alten Instrumenten bildet das fein abgestimmte instrumentale Fundament, auf dem sich in Da-Capo-Arien voll schmerzlicher Poesie die kostbaren Stimmen wiederum von Birgit Plankel, Sopran, und von Clemens Morgenthaler mit seinem raumfüllenden, wortdeutlich geführten Bass wunderbar entfalten. Das „Collegium Vocale“ wächst hier vor allem im letzten Chor „Schlaft wohl, ihr seligen Gebeine“ an Klangschönheit und Innigkeit über sich selbst hinaus, statuiert damit ein Exempel an chorischem Wohlklang. Die zahlreichen Zuhörer zeigen sich tief beeindruckt.
Wiederholung dieses Programms: 23. März, 19.00 Uhr, Kirche St. Peter, Wien