Michaela Feurstein-Prasser: „Der Hut“
Chapeau!
Tun Sie es auch schon oder immer noch? Gehören Sie zu den wenigen und wenn ja, wie oft und vor allem wozu tun Sie es – um sich zu schützen, zu verstecken oder doch lieber um ein wenig aufzufallen? Tragen Sie ihn, den Hut, den einen besonderen zur Hochzeit, irgendeinen zum Rasenmähen oder berufsbedingt jenen speziellen? Als eines der typischen „Dinge des Lebens“ können ihn vielleicht nicht alle von uns bezeichnen, aber als besonderes Etwas, zu dem jeder oder jedem eine Geschichte einfällt, sehr wohl.
In dem im Residenz Verlag erschienen Buch „Der Hut“ erfährt man von der in Vorarlberg geborenen Michaela Feurstein-Prasser nicht nur einiges zur Geschichte des Hutes, sondern lernt auch Hut-Typen sowie Typen mit Hut kennen. Die freischaffende Kuratorin und Kulturvermittlerin Feurstein-Prasser lebt und arbeitet in Wien, ist aber immer wieder auch in Vorarlberg anzutreffen. In der von ihr programmierten Ausstellungsserie „Museum des Wandels“ in der Schaffarei widmet sie sich den Veränderungen der Berufswelt und porträtiert anhand individueller Geschichten Menschen und deren Arbeitsalltag.
Ein alter Hut
Die Geschichte des Hutes geht weit zurück und immer schon hatten Kopfbedeckungen neben rein funktionalen Aufgaben auch schmückenden Charakter. In allen Schichten und Ständen, aus den unterschiedlichsten Materialien gefertigt, trugen und tragen sowohl Frauen als auch Männer diverse Formen und Farben auf ihren Häuptern. Interessant ist, dass das Wort im Mittelhochdeutschen sowohl in männlicher als auch in weiblicher Form vorhanden war. Wurde das männliche „Hout“ als Decke, Schutz im Sinne von Obhut verwendet, verstand man unter „huote“ die Aufsicht und Fürsorge in der Bedeutung des Hütens.
Über viele Jahrhunderte sah man den Hut vorwiegend als die Bedeckung des Mannes, der Frau galt die Haube als Pendant. Spätestens Ende des 19. Jahrhundert änderte sich das aber und Frauen entdeckten den Hut als Ausdruck der Selbstermächtigung, des Widerstandes und letztlich natürlich auch als repräsentatives Accessoire. Den modischen Höhepunkt erlebte der Hut in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Tatsache, dass ab den 60er Jahren das Auto dafür verantwortlich sein könnte, dass der Hut immer weniger getragen wurde, scheint „praktisch“ nicht ganz unmöglich. Ebenfalls in diese Zeit fällt die Angelobung John F. Kennedys – der erste Präsident, der diese Zeremonie ohne Kopfbedeckung absolvierte, und das wird sicher weitaus diffizilere Gründe gehabt haben.
Den Hut lüften
Kopfbedeckungen als Bestandteil der Kleiderordnung, als Ausdruck der Macht sowie als politisches und als Symbol der Emanzipation werden beleuchtet und auch hier werden zu den historisch genannten Belegen immer wieder Geschichten von nicht gelüfteten, vermeintlich unpassend gewählten oder unbedingt gewollten und unmöglich abzuziehenden Prachtstücken angestoßen, und man kommt dadurch Seite für Seite dem Hut näher.
Ein weiteres Kapitel widmet sich der Hutmacherei, deren Techniken bis zurück aus dem Mittelalter auch heute noch angewandt werden. Von Zünften, Manufakturen über die Heimarbeit und Industrialisierung bis hin zum heutigen, vermeintlichen Revival kann man lesen. Aber gibt es dieses Revival wirklich? Wie viele Hutmacher:innen neben Mühlbauer kennt man? Und auch diese, durch die Belieferung diverser Weltstars weit über die Grenzen bekannte Manufaktur, ist verhältnismäßig klein.
Welche verschiedensten Arten es von diesen Meistern des Fachs aber herzustellen gilt – auch das erfahren wir hier. Borsalino, Melone, Dreispitz – darunter können sich die meisten etwas vorstellen. Wie genau aber ein Fedora, ein Gerardi, ein Pillbox oder ein Pork Pie aussehen, ist schon unklarer. Passend zu den geschichtlichen Hintergründen wie in etwa, dass der Pork Pie wirklich seinen Namen der runden Form englischer Schweinepastete verdanke, liefert Hanna Zeckau die schlichten Illustrationen. Grafische Kleinode, die stark zum Charme des Buches beitragen.
Wenn an Typen – oder in diesem konkreten Fall an Typinnen – mit Hut gedacht wird, fällt, neben Queen Elizabeth II., die wohl als Paradebeispiel für stetige Hutträgerinnen gelten kann, wahrscheinlich vielen von uns Marlene Dietrich ein, die von „Zylinderkopf“ bis Fuß auf Liebe eingestellt war. Ihr Spiel mit Geschlechterrollen verlieh dem Zylinder einen ikonischen Moment der Filmgeschichte. Aber nicht nur sie verbindet man mit einer ganz bestimmten „Behutung“: Charlie Chaplin, Buster Keaton, Indiana Jones, Jack Sparrow und sowohl Ingrid Bergmann als auch Humphrey Bogart wären in „Casablanca“ ohne Kopfbedeckung unvorstellbar.
Und welches ist wohl der berühmteste Hut in der Literaturgeschichte? Im Epilog wird es verraten. Lesen Sie nach und erfahren auch Sie auf 64 Seiten, die man gerne zum Teil mindestens verdoppelt hätte, um einiges nicht nur in Kürze benannt zu lassen, was es mit dem Hut so auf sich hat, wenn man ihn auf hat.
Dieser Artikel ist bereits in der Print-Ausgabe der KULTUR Oktober 2023 erschienen.
Michaela Feuerstein-Prasser: „Der Hut“, mit Illustrationen von Hanna Zeckau, Residenz Verlag, Wien 2023, 64 Seiten, Hardcover, ISBN 9783701736003,€ 15