Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Annette Raschner · 04. Jun 2018 · Literatur

"Erfinden heißt erinnern! – Joachim Meyerhoff beim „Montagsforum“ im Dornbirner Kulturhaus

Er sei überhaupt nicht vortragserfahren, gestand Schauspieler Joachim Meyerhoff, um dann zur großen Freude des zahlreich erschienenen Publikums beim letzten „Montagsforum“ zum Thema „die Sprachen, die wir sprechen“ keinen Vortrag im klassischen Sinne zu halten, sondern das zu tun, was er am besten kann: Erzählen! Und zwar auf äußerst sympathische, humorvolle und dennoch tiefsinnige Art und Weise. Denn die Komik, sagt der 51-jährige Burgtheaterstar, ist ganz entscheidend. „Sie ist es erst, die es der Ernsthaftigkeit möglich macht, sich zu offenbaren.“

Am Beginn seines knapp eineinhalbstündigen Auftritts im Kulturhaus in Dornbirn las Joachim Meyerhoff aus dem zweiten Band seiner Bestseller-Tetralogie: Dem Kindheitsroman "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war". Er rezitierte jene Episode, in der der damals siebenjährige Joachim, Sohn eines Psychiatriedirektors, auf dem weitläufigen Gelände der Klinik einen toten Rentner in dessen Schrebergarten liegen sieht.
Das tragische Ereignis betrachtet er geradezu nüchtern, mit dem typischen Blick eines Kindes, das zum ersten Mal in seinem Leben etwas ganz Außergewöhnliches wahrnimmt. "Ich konnte den Blick nicht abwenden, blieb auf meinem Aussichtstor sitzen und betrachtete ihn. Ich war hin- und hergerissen. Sollte ich mich zu ihm hinunterlassen, ins Blumenreich der Toten hinabsteigen, ihn mir genauer ansehen oder doch auf der anderen Seite herunterspringen, der Seite der Lebenden? Der Siebenjährige entscheidet sich für Letzteres. Er läuft in die Schule, um stolz vom Gesehenen zu berichten und wird schließlich - zumindest für diesen einen Tag - zum Helden seiner Klasse, indem er immer mehr Details hinzuerfindet, um die Erzählung den anderen möglichst schmackhaft zu machen.

In höchstem Maße authentisch!

Im Anschluss an die Lesung erklärte Joachim Meyerhoff, weshalb gerade diese Episode aus seinem Leben geradezu paradigmatisch für sein Schreiben und sein Spielen geworden sei. "Ich bin nicht durch das authentische Erzählen zum Kern der Erinnerung gekommen, sondern über die Brücke der Fiktion. Erfinden heißt für mich erinnern! Ich habe vierzig Jahre alt werden müssen, um mich überhaupt zu trauen, etwas zu veröffentlichen! Ich habe so mit den Worten gehadert; vielleicht auch, weil ich Legastheniker bin. Allerdings: Wenn Sie sich heute bei einer Leseprobe für einen Theaterabend befinden, hört sich das so an, als wären alle in einer legasthenischen Fördergruppe!"
Die fiktiven Lebenserinnerungen auf Basis von real Erlebtem hat der gebürtige Homburger noch vor der Publikation in dem erfolgreichen, sechsteiligen Soloprogramm "Alle Toten fliegen hoch" im Burg-Vestibül unter die Menschen gebracht. Beim Erzählen seien immer neue Details ans Tageslicht gekommen, die Abende wurden länger und länger. "Ich habe mich um Kopf und Kragen geredet!"
Dass Joachim Meyerhoff ein begnadeter Erzähler ist, stellte er auch beim Montagsforum eindrücklich unter Beweis. Er erzählt so, wie er spielt: In höchstem Maße authentisch!

Von schwierigen Anfängen zu großer Karriere 

Dabei sei er zu Beginn seiner Schauspielkarriere alles andere als „ein Versprechen an die Zukunft“ gewesen, so Joachim Meyerhoff, der nach seiner Schauspielausbildung an der renommierten Otto-Falckenberg-Schule München einige Jahre eher erfolglos zwischen Bielefeld und Ulm herumgetingelt war. "Meine Sehnsüchte waren so viel größer als meine Möglichkeiten, sie umzusetzen. Ich hatte klare Vorstellungen, wie ich gerne auf einer Bühne wäre, aber sobald ich dann auf einer Bühne stand, war alles viel komplizierter!"
Die Zeiten haben sich geändert! Bereits zwei Mal (2007 und 2017) ist Joachim Meyerhoff von der Zeitschrift "Theater heute" zum Schauspieler des Jahres gewählt worden, im vergangenen Jahr erhielt er darüber hinaus einen „Nestroy“ für sein herausragendes Solo in der Burgtheater-Adaptierung von Thomas Melles Roman "Die Welt im Rücken". Und das, obwohl Joachim Meyerhoff unlängst meinte: „Es ist mir bis heute ein Rätsel, warum ich Schauspieler geworden bin.“