Faurés Requiem in Orgelversion gelang überzeugend in Koproduktion von Stella und Herz Jesu unter der Leitung des Graubündners Clau Scherrer. (Foto: Victor Marin)
Anita Grüneis · 20. Jän 2024 ·

Leidenschaft und klirrende Eiswelten

Ein spezielles Programm boten die TAK Vaduzer Weltklassik Konzerte im Vaduzersaal an. Der Geiger Sebastian Bohren und das Münchener Kammerorchester gastierten unter der Leitung von Thierry Fischer mit viel Mozart, aber auch Zeitgenössischem. Zu hören waren Mozarts erste Sinfonie in Es-Dur sowie seine letzte in C-Dur, die Jupiter-Sinfonie. Dazwischen erklang das Violinkonzert Nr. 1 des 66-jährigen finnischen Komponisten Magnus Lindberg. Ein echtes Sandwich-Konzert.

Wolfgang Amadeus Mozart hat seine 1. Sinfonie angeblich mit acht Jahren komponiert, als er sich mit seiner Familie in London aufhielt und ihm langweilig war. Das Komponieren muss dem Knaben große Freude bereitet haben, das war in der Interpretation des Münchner Kammerorchesters deutlich zu hören. Vom  energiegeladenen Dreiklangsmotiv bis zu den plötzlichen Szenenwechseln erinnerte die Musik teilweise an die späteren Opern des Musik-Genies. Dirigent Thierry Fischer schien mit seinen vibrierenden Händen das Orchester zu energetisieren und holte sich die gesamte Vielsaitigkeit (ja, mit "ai"), die er brauchte, um die Verspieltheit, aber auch das bereits Geniale in dieser Symphonie zu zeigen. Mit einem schwebenden Sound klang die Mozart’sche Musik manchmal sogar wie ein Werk aus dem Heute.

Mit Ecken und Kanten

Im Heute geboren war das folgende "Violinkonzert Nr. 1" des 66-jährigen Magnus Lindberg, das dieser 2006 geschrieben hatte. Ein Musikjournalist meinte dazu: "Ist schon harter atonaler Tobak" und weiter: "dennoch verdammt interessant gemacht. Der Hörer wird absolut kurzweilig am Ball gehalten und kommt bei aller Konzentration nicht zur Ruhe". Genau dies geschah auch im Vaduzersaal. Der neue "Fixstern am Geigenhimmel", der Schweizer Sebastian Bohren, verzauberte das Publikum und zog es völlig in seinen Bann. Schon mit den ersten Tönen ließ er - gemeinsam mit dem Münchner Kammerorchester – eine eisige Textur im Raum entstehen, klirrende Klänge zogen durch den Raum, mal zupfte er die Saiten, mal strich er energisch mit dem Bogen darüber. Dabei entstanden grandiose Bilder, die bisweilen an Musik von George Gershwin erinnerten, aber auch an Soundtracks von Science Fiction Filmen. Der Solist und das Orchester bildeten eine Einheit und Sebastian Bohren war der primus inter pares. Die lange Kadenz gegen Ende des Werks war ein Kunstwerk für sich. Der Stargeiger konnte dabei noch einmal die ganze Bandbreite der Violintechnik zeigen. Elegante Pizzicato, atemberaubende Triller und schnelle Melodien in Doppelgriffen – Sebastian Bohren schöpfte das Klangvolumen seiner Geige, gebaut 1761 von G.B. Guadagnini, voll aus. Dabei erklangen Töne zart wie Seide und kostbar wie edler Brokat. Sie schienen zu singen und zu tanzen, zu hauchen und zu flüstern. Sie waren aber auch voller Ecken und Kanten – wie die finnische Sprache. Ein aufregendes Werk. Während des Spiels war kein Räuspern und kein Husten aus dem Zuschauerraum zu hören, absolut nichts, außer dem wunderbaren Geigenspiel. Das Publikum dankte mit begeistertem Applaus und erhielt eine Zugabe. Sebastian Bohren interpretierte das virtuose Stück "Evoléne" des 1994 verstorbenen Walliser Komponisten Jean Daetwyler.

Mit Jupiter in die Winternacht

Nach der Pause erklang Mozarts "Jupitersinfonie" in C-Dur, die letzte Sinfonie des Meisters. Beim Zuhören wurde klar, welchen langen Weg dieser Komponist gegangen ist und wie er dabei doch dem achtjährigen Knaben treu geblieben ist. Das zeigte das Münchner Kammerorchester unter der Leitung von Thierry Fischer deutlich auf. Der 66-jährige Dirigent, der einst Flötist beim European Chamber Orchestra war, führte das Münchner Kammerorchester voller Temperament und Leidenschaft. Schon im ersten Satz der Sinfonie ließ er Erinnerungen an Don Giovanni wach werden, das Andante cantabile geriet dann recht elegisch, blieb aber trotzdem dynamisch, im Menuetto Allegretto durfte das Beschwingte dominieren und beim letzten Satz feuerte Wirbelwind Thierry Fischer das Münchner Kammerorchester noch einmal zu Höchstleistungen an. Wie er mit seinen Musiker:innen die einzelnen Themen kunstfertig verknüpfte und dabei auf die Klangfeinheiten achtete, das war schon ganz hohe Kunst. Das Publikum war denn auch begeistert und applaudierte kräftig.