Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Anita Grüneis · 27. Mär 2024 · Musik

Konstantin Wecker in Schaan: „Make love not war“

„Und wieder soll ein Krieg den Frieden bringen“, monierte der Liedermacher Konstantin Wecker im Schaaner SAL und meinte zugleich: „Wir müssen an unseren Utopien einer herrschaftsfreien und gewaltfreien Gesellschaft festhalten.“ Einen Abend lang wetterte der überzeugte Pazifist und Anarchist mit seinem Programm „Utopia 2.0“ gegen die Mächtigen dieser Welt, bot im Gegenzug seine Utopien an wie zum Beispiel: „Lasst uns mit den Herzen denken“, oder „lasst uns traurig sein, wo wir männlich sein sollten“, und plädierte für ein „liebevolleres Miteinander“. Das Publikum im ausverkauften Schaaner SAL feierte ihn mit Standing Ovations.

Er liebt und wird geliebt, das war an diesem Abend deutlich zu spüren. 76 Jahre ist er nun alt, der Konstantin Wecker, und kein bisschen leise. Noch immer ruft er allen zu: „Wenn sie jetzt ganz unverhohlen/Wieder Nazi-Lieder johlen/Über Juden Witze machen/Über Menschenrechte lachen/Wenn sie dann in lauten Tönen/Saufend ihrer Dummheit frönen/Denn am Deutschen hinterm Tresen/Muss nun mal die Welt genesen/Dann steh auf und misch dich ein: Sage nein!“ Geschrieben hat er es 1993 – es könnte von Heute sein. Seine treuen Fans lieben ihn für seine Unerschütterlichkeit, seine Beständigkeit und seine Gradlinigkeit. „Schön, dass wir uns endlich wieder Mut machen können“, rief er den Zuhörerinnen und Zuhörern von der Bühne aus zu und sang dann eines seiner bekanntesten Lieder: „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“. Es klang neu und wurde in diesem Arrangement beinahe zu einem Rap, aber die Poesie a la Gottfried Benn ist immer noch da: der Himmel wird zum Opal, die Luft schmeckt nach Erde und man will was zu tun ist, endlich tun. 

Durch und durch Musiker und Poet

Konstantin Wecker ist der Alte geblieben und ist doch ein Neuer. Er beschenkte das Publikum  mit vielen neuen Liedern in raffinierten Arrangements. Dafür hatte er seinen treuen „Buddy“ Jo Barnikel an den Keyboards und am Klavier sowie die feinfühlige Fany Kammerlander am Cello mitgebracht, Saxophon und Klarinette spielte sein langjähriger Freund Norbert Nagel und zum ersten Mal mit dabei war der Perkussionist Jürgen Spitschka. Ein Quintett, das in Schaan drei Stunden lang für einen ordentlichen Groove sorgte. Sie alle sind erfahrene Musiker, der Sänger, Komponist und Dichter Konstantin Wecker steht seit mehr als 50 Jahren auf der Bühne und war auch im Liechtensteiner TAK mehrmals zu Gast. Er wird nicht müde, gegen den Widersinn der Welt anzusingen, ist Ernst Blochs „Prinzip Hoffnung“ treu geblieben, sagte an diesem Abend: „Viele haben die gleiche Sehnsucht wie ich, aber nicht die gleiche Meinung“, und fügte hinzu: „Der wahre Künstler hat die Verpflichtung, ein Anarchist zu sein. Das bin ich bis heute geblieben.“
Und so hat er sich in die Texte von Karl Kraus vertieft, erinnerte an den Widerstand in Brokdorf, wo 100.000 Menschen gegen die Kernenergie demonstrierten und rief zur Solidarität auf. „Kriminell ist die herrschende Politik, nicht der Widerstand dagegen“, meinte er und forderte in diesem Zusammenhang auch die Freilassung von Adbullah Öcalan, Gründungsmitglied der Arbeiterpartei Kurdistans, der PKK, der seit über 24 Jahren in der Türkei in Haft sitzt. Er las aus dessen Buch „Jenseits von Staat, Macht und Gewalt“ vor, in dem es heißt: „Attraktiv finde ich ethisch-politische Menschen, die Freundschaft mit Tieren pflegen, in Eintracht mit der Natur leben, auf einem Gleichgewicht der Geschlechter aufbauen, in Freiheit, Gleichheit und Liebe leben und die Kraft der Wissenschaft und der Technik davor bewahren, Spielzeug für Krieger und Mächtige zu sein. [...] All das ist Utopie. Aber manchmal sind Utopien die einzig rettende Inspiration.“

Make love not war

Politik, Wut, Selbsterkenntnis, Spiritualität, Zärtlichkeit und Aufmunterung – all dies vereint Konstantin Wecker in seinen Liedern. Dabei blieb er ein Hippie, der überzeugt davon ist, dass „Make love not war“ die richtige Einstellung zum Leben ist und für alle das bessere Motto wäre als jeder nationalistische Aufruf. „Dass diese Welt nie endet, nur dafür lasst uns leben“, skandiert er und: „Nie wieder Krieg. Nie wieder Faschismus.“ Seiner Meinung nach müssen wir nicht wissen, wer wir sind, es genüge schon, zu sein. Er braucht kein Vaterland, weil das ganze Universum seine Heimat ist und außerdem: „Im Nationalismus liegt keine Freiheit. Das ist der Anfang vom Ende der Freiheit“.
Der Abend „Utopia 2.02 dauerte über drei Stunden, natürliche gab es Zugaben, wobei Konstantin Wecker singend durch das Publikum ging und auf der Bühne mit der Cellistin sang und tanzte. „Genug ist nie genug“, ist einer seiner großen Hits. Manchmal ist genug aber zu viel und dann wirken Weckers Lieder wie eine Dauerpredigt und man denkt: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Trotzdem – es tut gut, Künstler wie ihn zu erleben, der von uns allen eine Welt fordert ohne Kriege und ohne die zerstörerische Ausbeutung von Mensch und Natur, der seine Finger auf unsere Zeitwunden legt und weiter das Antikriegslied von Hannes Wader singt. Für sein neues Programm hat er auch das Gedicht „Utopia“ seines Freundes Hanns Dieter Hüsch vertont. Darin heißt es: „Ich seh‘ ein Land mit neuen Bäumen“ und „Das ist die Zeit, die ich nicht mehr erlebe,/Das ist die Welt, die nicht von unsrer Welt./Sie ist von fein gesponnenen Gewebe,/Und Freunde, glaubt und seht: sie hält.“ Dass diese Welt nie endet, nur dafür lasst uns leben!

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