Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Christina Porod · 14. Jun 2013 · Kleinkunst, Kabarett

Im großen Fluss – Ohne Begrüßung und Verabschiedung begrenzt sich Gunkl aufs Wesentliche - Die Kränkungen der Menschheit

Hochgeistig, schnell, witzig, wortgewaltig – all diese Attribute passen auf Gunkls Programm „Die großen Kränkungen der Menschheit – auch schon nicht leicht“. Zwei Stunden lang prasselte am gestrigen Donnerstagabend ein scheinbar unerschöpflicher Fluss an Informationen auf das Publikum im Theater am Saumarkt in Feldkirch ein. Der preisgekrönte Kabarettist spricht über das Ich und die Iche, jeden und alle, Hirnaktivitäten, Evolution und Religion.

Im Laufe der Menschheitsgeschichte musste der homo sapiens schon so manche Kränkung verkraften: Die Erde ist nicht im Zentrum des Universums, der Mensch ist mit dem Affen verwandt und beim sogenannten freien Willen hat sich herausgestellt, dass der nicht ganz so frei ist. Folgerichtig ist dann das Ich nur eine Handpuppe, die sich das Hirn gebastelt hat. Denn dieses weiß eine halbe Sekunde früher, wie man sich entscheidet.
Auch das Mitgefühl macht sich der 51-Jährige zum Thema. Anhand einer Geschichte veranschaulicht Gunkl alias Günther Paal, wie es mit dieser Emotion funktioniert: Ein Strich möchte ebenso schnell wie ein Kreis die Seite wechseln. Jedes Mal, wenn der Strich versucht die Gestalt des Kreises anzunehmen, indem er seine beiden Enden schließen möchte, scheitert er. Wer bekommt da kein Mitleid mit dem armen Strich?

Unerbittlich mit Religion


Nach der Pause wird’s noch lebendiger und emotionaler. Dann spricht der Wiener Kabarettist über seine persönlichen großen Kränkungen. Nämlich, dass Regierungen nicht dafür sorgen, dass jeder für seine Arbeit anständig entlohnt wird oder, dass Führungskräfte soziopathisch veranlagt sind. Da nimmt auch das Thema Religion einen prominenten Platz ein „Dass wir Religion noch immer notwendig haben, kränkt mich“, gibt er zu und „dass sie noch immer Thema ist, stört mich“. Heilige Bücher, die „schwer nach Prostata-Beschwerden riechen“, sind übersät mit Brutalitäten, vor allem gegen Frauen, aber wie so vieles in der Religion, gerechtfertigt unter dem Deckmantel „das ist nur symbolisch gemeint“ oder „es kommt auf die Auslegung an“. Gunkl streut Bibelzitate ein wie „Die Frau sei dem Manne untertan“. Wenn das symbolisch gemeint ist, braucht der liebe Gott einen Sprachkurs.“ Und was ist das überhaupt für ein Monotheismus, der in seinem ersten Gebot festhalten muss: Du sollst nicht andere Götter haben neben mir. Dieses Gebot impliziert ja deren Existenz. Und wenn nicht, dann ist es laut Gunkl so sinnvoll wie „Du sollst kein drittes Knie haben“. Zudem sind im Laufe der Geschichte die Götter auch regelmäßig mit ihren jeweiligen Kulturen ausgestorben, wie der Göttervater Teutates. Bekanntlich sieht man Kelten nur noch selten.

Kein schlichtes Konsumieren


Günther Paal verharrt während seines zweistündigen Programms mehr oder weniger an einem Punkt. Mimik, Hände und perfekte Intonation genügen dem Philosophen der heimischen Kleinkunstszene als Zutaten zu einem herausfordernden Programm. Manchmal raucht einem der Kopf: Seine mit Fremdwörtern gespickte Darlegungen sind anspruchsvoll und verlangen vom Zuschauer mehr als schlichtes Konsumieren von Pointen. Die verbalen Bombardements fordern höchste Aufmerksamkeit und völlige Konzentration. Beispielsweise bei Gunkls feiner Unterscheidung der Pronomen „jeder“ und „alle“ sowie „wir“, „ich“ und „iche“, denn „wir“ sind alle, „iche“ ist jeder. Alles klar? Eine These des Kabarettisten zur Erläuterung: Wenn's um jeden geht, also um den einzelnen Menschen, da können wir uns kränken. Geht's aber um das Funktionieren von größeren Systemen, also um das "Wir", dann sind wir höchstens verärgert.

Am Ende gibt er seinem Publikum noch etwas mit auf den Weg: „Das einzig zutiefst Menschliche, das uns von allen anderen Lebewesen unterscheidet, ist, dass wir Sachen besser machen können, als es sein muss. Diese Möglichkeit sollten wir nicht schwänzen.“ Anschließend verlässt Gunkl die Bühne, lässt sich einige Male mit Beifall feiern und beendet seinen stringenten Vortrag ohne Zugabe.