2025 ist der erste Festspielsommer in Bregenz unter der Leitung von Intendantin Lilli Paasikivi (Foto: Anja Köhler)
Michael Löbl · 22. Nov 2024 · Aktuell

Helsinki liegt am Bodensee

Die Programmpräsentation der Bregenzer Festspiele im November ist ein Traditionstermin, in dem der Presse nicht nur die bereits bekannten Eckpunkte des kommenden Sommers erläutert werden, sondern erstmals das gesamte Festspielprogramm durch das Leading Team im Detail vorgestellt wird

Am Donnerstag fand nun die erste derartige Präsentation der neuen Intendantin Lilli Paasikivi im Festspielhaus statt. Gemeinsam mit dem Festspielpräsidenten Hans-Peter Metzler, dem Kaufmännischen Direktor Michael Diem, der Pressesprecherin Babette Karner und dem Dramaturgen Florian Amort, der den erkrankten Regisseur Andreas Kriegenburg vertrat, führte sie die anwesende Schar aus Medienvertreter:innen und sonstigen Kulturschaffenden durch ihren ersten Festspielsommer.
Lilli Paasikivi macht das ausgesprochen professionell, sie wirkt sehr sympathisch und lässt keinen Zweifel darüber, dass sie ganz genau weiß, was sie will und vor allem was sie davon in Bregenz umsetzen kann. Nach einer sehr erfolgreichen Karriere als Opernsängerin im Fach Mezzosopran war sie über zehn Jahre lang Intendantin der Finnischen Nationaloper. Sie spricht hervorragend Deutsch und scheint mit ihrem ersten Festspielprogramm sehr zufrieden zu sein. Zufrieden zeigt sich auch Michael Diem, denn der Kartenverkauf für den „Freischütz“ am See läuft hervorragend. Denn nur mit den Einnahmen der Seeproduktion kann man all die weiteren, weniger gewinnbringenden Programmteile ohne schlechtes Gewissen in dir Tat umsetzen.

Programmschema bleibt unverändert

Was als erstes auffällt, ist das neue Erscheinungsbild. Dieser natürlich sehr attraktive, weil auch langfristige Auftrag wurde an das Designstudio collect aus Stuttgart vergeben. Wie steht es da mit der regionalen Wertschöpfung? „Für mich gehört Stuttgart zur Region und unser Publikum kommt zu einem sehr großen Teil aus Deutschland. Wir haben selbstverständlich einen Pitch gemacht und die Leute vom Studio collect haben uns alle mit ihren Entwürfen spontan überzeugt“, zerstreut Michael Diem alle Bedenken. Ebenfalls neu ist, dass jedes Jahr eine andere Künstlerin die Produktionen des Festspielsommers begleiten soll. In diesem Jahr fiel die Wahl auf die Düsseldorfer Malerin Vivian Greven, mehrere ihrer Arbeiten sind im Programmbuch zu bewundern.  
Im grundsätzlichen Programmaufbau ändert sich eigentlich nichts. Am See geht Philipp Stölzls winterlicher, nasser „Freischütz“ von Carl Maria von Weber ins zweite Jahr. Die Sänger bleiben der Produktion zum Großteil treu, allerdings gibt es mit Patrik Ringborg und Christoph Altstaedt zwei neue Dirigenten. Der in den letzten Jahren sehr viel beschäftigte Enrique Mazzola ist mit Elisabeth Sobotka nach Berlin weitergezogen, seine Bregenzer Ära als „Conductor in Residence“ ist damit zu Ende. Bei der Oper im Haus möchte sich Lilli Paasikivi auf Opern des 20. Jahrhunderts konzentrieren, also kein Rossini mehr, kein früher Verdi oder Unbekanntes von Jules Massenet und Franco Faccio. Ihre erste Produktion im Haus ist „Oedipe“ von George Enescu, weit weg vom Mainstream aber doch immer wieder präsent, so vor über 20 Jahren in der ,Ära Holender‘ an der Wiener Staatsoper oder vor fünf Jahren bei den Salzburger Festspielen. Regie führt Andreas Kriegenburg, die musikalische Leitung hat der Chefdirigent der Finnischen Nationaloper, Hannu Lintu.

Schwerpunkt Finnland

Womit der Reigen der finnischen Künstlerinnen und Künstler eröffnet wird. Studiert man das Programm gewissenhaft, wird einem fast schwindlig vor lauter finnischen Namen. Im kommenden Sommer kommen in Bregenz zum Einsatz: Die Dirigenten Hannu Lintu, Kaapo Ijas und Jukka-Pekka Saraste, die Sänger Tuomas Pursio, Marjukka Tepponen, Sonja Herranen und Ida Elina, die Komponisten Kaija Saariaho, Sebastian Fagerlund, Jean Sibelius und Osmo Tapio Räihälä, das Ensemble YL Male Choir, das Alakulo Tango Ensemble und last but not least der Saxophonist Jukka Perko. Das ist viel. Nach den kommenden Festspielen wird das heimische Publikum kompetent mitreden können, wenn es um die finnische Kulturszene geht. Zwei finnische Namen fehlen allerdings: Der erst 24-jährige Dirigenten-Shootingstar Tarmo Peltokoski, bereits unter Vertrag bei der Deutschen Grammophon, und der mittlerweile 66 Jahre alte Großmeister Esa-Pekka Salonen. Als Dirigent ist er vermutlich nicht finanzierbar, aber eines seiner zahlreichen Orchesterwerke ins Programm aufzunehmen, wäre sicher eine interessante Idee. Vielleicht in einem der nächsten Jahre …  

Burgtheater im Hauptprogramm

Das Opernstudio im Theater am Kornmarkt wird mit Gioacchino Rossinis köstlicher Aschenputtel-Vertonung „La Cenerentola“ einen Riesenerfolg einfahren. Wenn die Sänger:innen gleichermaßen Stimme und Humor mitbringen, kann da nichts schiefgehen. In der Werkstattbühne gibt es drei zeitgenössische Projekte, die – wie immer – nicht in wenigen Worten zu erklären sind. Nur so viel: Wer modernen Tanz und/oder die amerikanische Mezzosopranistin Joyce DiDonato liebt, wird zu 100 % auf seine Kosten kommen.
Auch beim Schema der Orchesterkonzerte ändert sich nichts, dreimal Wiener Symphoniker, einmal das Symphonieorchester Vorarlberg, dazu sehr vielfältige Kammermusik sowie ein Chorkonzert. Die alle zwei Jahre stattfindende Matinee mit jungen Bläsern in Zusammenarbeit mit dem Blasmusikverband wurde in die Abteilung Junge Festspiele verschoben.
Das Wiener Burgtheater rückt vom etwas befremdlichen Ostertermin ins Hauptprogramm und wird in vier Aufführungen ein Stück des steirischen Autors Ferdinand Schmalz mit dem Titel „Der letzte Henker“ zur Diskussion stellen. Regie führt der neue Direktor des Burgtheaters, Stefan Bachmann. Aber etwas wirklich Neues gibt es auch. Der Abend „Tango am See“ am 11. August in der neuen Montagehalle verspricht ein „magischer Sommerabend nach finnischer Art“ zu werden.  

www.bregenzerfestspiele.com