Das Vincent Peirani „Living Being“ Quintett begeisterte beim Trans4JAZZ-Festival in Ravensburg (Foto: Hans-Jürgen Bürkle)
Silvia Thurner · 26. Okt 2024 · Musik

Gespür für das Dazwischenliegende

Johannes Wohlgenannt gab einen gefühlvollen Klavier- und Liederabend

Der aus dem Walgau stammende und seit Jahren im Waldviertel lebende Komponist, Pianist und Songwriter Johannes Wohlgenannt lud in die Villa Falkenhorst zu einem sehr persönlich gehaltenen Konzert. Mit einer gut proportionierten Mischung aus zeitkritischen Balladen und Liebesliedern sowie Klavierstücken bot der Künstler einen poesievollen Abend, der fantasiereiche musikalische Erzählwelten eröffnete und zum Weiterdenken anregte.

Johannes Wohlgenannt ist ein Individualist, der seine künstlerischen Ideen aus seinem persönlichen Empfinden und Erleben bezieht. Seine Kompositionsart wird wesentlich von der Gestaltpsychologie und audiovisuellen Vorstellungswelten des Komponisten bestimmt. Die in der Villa Falkenhorst gespielten Klavierstücke stammten aus den beiden Klavierzyklen „Desktop Complete“ und „Pocket Tunes“, außerdem erklangen drei „Episoden“. Jeweils kleine energetische Floskeln verband Johannes Wohlgenannt miteinander, führte sie weiter, modellierte heranwachsende Linien in unterschiedlichen Tonarten und schöpfte daraus verschiedenste Bewegungsmuster sowie musikalisch flächige Gewebe, die an Minimalmusic sowie improvisierte Musik denken ließen. Musikalische Passagen wurden aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und immer wieder stattfindende ruhigere Felder bildeten Reflexionsflächen aus. Fast alle präsentierten Kompositionen verströmten ein meditatives Flair, durchzogen mit oft überraschenden Wendungen und oft mit verblüffenden, abrupten Schlusspassagen.
Besonders in Verbindung mit den Liedern von Johannes Wohlgenannt entwickelte der Konzertabend eine dichte Atmosphäre, denn die dargebotenen Lieder verströmten eine gut nachvollziehbare Authentizität. Wort und Musik sieht Johannes Wohlgenannt als ebenbürtige Parameter. So war er beim Vortrag sehr auf die Wortrhythmik, die Artikulation und die Textdeutlichkeit bedacht.

Zeitkritische und autobiografisch inspirierte Lieder

Der Pianist begleitete sich selbst am Klavier und ließ mit seiner eher hohen, mitunter filigran klingenden Singstimme an Liedermacher wie Konstantin Wecker oder Herbert Grönemeyer denken. 
Johannes Wohlgenannt ist ein politisch denkender, zeitkritischer Künstler. Dies kam sogleich in den ersten Liedern „Save Human Dignity“ und „Viele Worte jeder Sorte“ zum Ausdruck. Die Werke seien kurz nach der Invasion Russlands in die Ukraine entstanden, erzählte der Musiker. Überhaupt führte er mit seinen Moderationen gut in seine künstlerische Gedankenwelt ein. Inhaltlich kreisten die Texte um die Würde des Menschen und um Menschenrechte. Davita Wagner, eine deutsche Lehrerin, die zuerst in der Ukraine humanitäre Hilfe leistete, dann als Soldatin tätig war und schließlich ermordet wurde, setzte Johannes Wohlgenannt ein musikalisches Andenken.
Liebeslieder erklangen mit viel Ausdruck und teilweise auch mit einem Augenzwinkern. In den Werken „Bist du glücklich wie ich“ und „Aber ich lasse Dich“ sowie „Bring mir meins“ und „Deine Beine würd‘ ich zeichnen“ stellte er zahlreiche Fragen und führte die Zuhörenden in einen sensiblen Erzählfluss.
Am persönlichsten wirkten die drei Balladen „Meine Heimat ist der Wind“, „Subtil“ und „Weites Land“. Dieses Werk zeichnete sich durch die feinsinnige Liedmelodie aus, die die Textinhalte maßgeblich unterstrich. Die Textzeilen „Weites Land, ich find es nicht. Wo Land ist, ist Besitz, wo Besitz ist, sind Grenzen, wo Grenzen sind, sind Zäune …“ wurden im musikalischen Stimmengewebe gut ausbalanciert und regten zum Weiterdenken an. Auch die Ballade „Meine Heimat ist der Wind“ zeichnete sich durch enge Wort-Ton-Verbindungen aus, die die Textinhalte hervorragend ausdeuteten. Mit dem Lied „Subtil“ setzte Johannes Wohlgenannt dem Lindenbaum vor seinem Haus ein Denkmal, indem er ihn als lyrisches Ich ansprach und auf diese Weise eine persönliche Note einbrachte.
Die zahlreichen Zuhörenden dankten mit herzlichem Applaus. 

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