Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Mirjam Steinbock · 13. Dez 2016 · Gesellschaft

Aufruf zum Ungehorsam – Georg Schärmer fordert ein aktives Miteinander zugunsten der Menschenrechte

Dass die Würde des Menschen nicht ausgiebig genug besprochen werden kann, machte die Plattform „Menschen Rechte Leben“ anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte am 10. Dezember im Feldkircher Pförtnerhaus in sinnlicher und aufrüttelnder Form deutlich. Mit dem inspirierenden Vortrag des Tiroler Caritas-Direktors Georg Schärmer sowie mitreißender Musik, humoristischen Einlagen und umfassenden Informationen zu Menschenrechten regte der Zusammenschluss von insgesamt 50 Institutionen das Publikum an, wachsam und engagiert zu bleiben.

Organisationen wie Welt der Kinder, Caritas, Freigeist, Amnesty International, Vindex, Go West oder Dreikönigsaktion Junge Kirche gehören unter anderen zu den Mitgliedsorganisationen der Plattform, für die Katharina Lenz und Peter Mennel stellvertretend zu Beginn der Veranstaltung das Wort ergriffen. Sie informierten die Zuhörenden im voll besetzten Pförtnerhaus über Inhalte und Ziele der seit drei Jahren bestehenden Initiative und stellten auch ihre Visionen für zukünftige Aktionen in den Raum. Seit Bestehen wächst die Plattform geradezu rasant und widmet sich in regelmäßigen Abständen dem Thema Menschenrechte in Vorarlberg.

Flammende Rede

Das Fest mit dem diesjährigen Thema „Vielfalt der Würde“ bewies, wie fruchtbar und inspirierend Prozesse wie diese sein können. Eine hervorragende Idee des Veranstaltungsteams war es, Frau Heimpl alias Elke Maria Riedmann die Feier schwarzhumorig und doch sehr wertschätzend moderieren zu lassen.
Für musikalische Begleitung sorgte der Chor „Los U.K.L.A.L.A.“ von Martin Lindenthal mit SchülerInnen und StudentInnen, die mit mitreißendem Gesang für Gänsehaut sorgten. Den Höhepunkt der Veranstaltung bildete die flammende Rede von Georg Schärmer, der mehr als nur einen Impuls gab. Flankiert von den Gebärdendolmetscherinnen Dunja Dietl und Lisa Gmeiner-Rensi von „HANDlaut", die die Rede mit vollem Körpereinsatz übersetzten, gab Schärmer einen umfassenden Eindruck, in welchen Bereichen menschliche Würde ständig aufs Gröbste verletzt wird.
„Die Weihnachtsgeschichte vor 2.000 Jahren ist getränkt von Menschenrechtsverletzungen. Kindesmord und Flucht stehen im Mittelpunkt dieser Geschichte“, gab er zu bedenken und informierte gleichzeitig, dass es den Geist der Verbundenheit und auch eine Herzensbildung brauche, um Würde leben zu können. „Nur wer bei sich einen Selbstwert erfährt, ist auch in der Lage, sich anderen zuzuwenden. Nur wer in sich selber gut wohnt, kann auch mit anderen gut umgehen“, erklärte der Caritas-Direktor.

Werte-Kurse ein „Schmarrn“

Als einen im Menschen innewohnenden Wert bezeichnete er die Würde und betonte, dass alle Mitglieder der menschlichen Familie die gleichen Rechte haben. „Würde ist uneinsichtig. Sie muss daher bedingungslos zugesprochen werden und ist anzuerkennen. Es braucht diese innere Haltung, sich zu begegnen. Eine Haltung des Entdeckens, des Interesses, des Suchens und Staunens“, appellierte Schärmer an die Menschlichkeit und verknüpfte sie mit den Themen Flucht und Asyl.
Für einen „Schmarrn“ hält der engagierte Tiroler sogenannte Werte-Kurse für Flüchtlinge und bezeichnete diese in seiner Rede als Gehirnkolonialismus. „Wenn schon Werte-Kurse, dann aber gemeinsame. Damit man sich finden und über Werte austauschen kann.“ Den Umgang mit dem Fremden bezeichnete er als ein Lernfeld und eine Form des Hinterfragens, wie es denn um unsere eigenen Werte bestellt sei. „Evolution hätte nie stattgefunden, wenn wir im eigenen Dialog geblieben wären“, betonte Schärmer.

Gesetzeswidrig zugunsten der Menschlichkeit

Als skandalös betrachtet er das Agieren der Politik, die ihr Tun mit dem Kampf in einer Arena verwechsle. Vielmehr solle es der Politik zukommen, Brücken zu bauen und Verbindungen zu Verbindlichkeiten zu machen. „Wenn es um Gesetzesgerechtigkeit geht, braucht es auch Verteilungsgerechtigkeit“, forderte Schärmer und kritisierte darüber hinaus das Fehlen einer Gesetzestreue. Es sei für seine Mitarbeitenden der Caritas unmöglich, das sich ständig ändernde Gesetz und die damit einhergehenden Novellen ajour zu halten. Laut Georg Schärmer bedürfe es auch vermehrt der Gesetzesübertretung, um Möglichkeiten für Menschen zu schaffen, die sonst immer mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt würden. Als Beispiel nannte er das Programm der Caritas Tirol für drogenabhängige Menschen, die in der Mentlvilla in Innsbruck nicht nur eine Notschlafstelle sondern darüber hinaus Beratung und Betreuung finden. Hier können Suchterkrankte gebrauchte Spritzen abgeben und steriles Spritzbesteck abholen. Ein Service, der zwar am Grat der Legalität wandert, jedoch 540.000 Infektionsherde weniger bedeute und damit dem Land Tirol viel Geld spare, wie Schärmer informierte. „Es braucht die aktive Zivilbevölkerung. Miteinander schaffen wir es“, ermutigte er abschließend das Publikum, das dem charismatischen Menschenrechts-Kämpfer viel Applaus schenkte.

Sinnvolle Veranstaltung

Inspiriert ging es danach in die sogenannten Open Spaces, kleine Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen einiger beteiligter Organisationen, in denen aktuelle Themen und Fragestellungen mit dem fachlichen Input der Teilnehmenden erörtert wurden. Der Abend wurde mit der Band N.I.K.O. und dem im Freien gekochten Essen des KochKollektivs aus Liechtenstein unter der Leitung von Sacha Schlegel beschlossen. Eine runde Sache, dieser Tag der Menschenrechte und eine Initiative, die Unterstützung verlangt und hoffentlich weiterhin mit so viel Engagement lebendig bleibt. Weil sie vor Augen führt, wie jeder Mensch tagtäglich etwas dazu beitragen kann, Würde zu leben und für den Schutz von Menschenrechten Sorge zu tragen.