Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 16. Mai 2013 · Film

The Great Gatsby

Baz Luhrmann („Moulin Rouge!“) ist der Orgiast unter den Hollywood-Regisseuren. Rauschhafte Kamera und Farbspiele drohen schon zum Selbstzweck zu werden, bis gegen Ende doch noch der tragische Kern dieser Erzählung zum Vorschein kommt.

Fast fühlt man sich bei dieser Neuauflage von „The Great Gatsby“ an die Duelle der Superhelden erinnert, die in den vergangenen Jahren so zahlreich die Leinwände okkupierten. Auch ohne dass die beiden Gegner übersinnliche Kräfte haben, prallen in „The Great Gatsby“ Universen aufeinander. Joel Edgerton (bullig, fast unverrückbar) verkörpert in der Gestalt des Tom Buchanan regelrecht den alteingesessenen Geldadel des Landes, dessen gesellschaftliche Unantastbarkeit und Privilegien sich noch aus der Gründerzeit erhalten haben. Dem Snob Buchanan hat Autor F. Scott Fitzgerald eine doppelt tragische Figur gegenübergestellt. Jay Gatsby, ein gerüchteumrankter Tycoon, der aus ärmsten Verhältnissen stammt, dessen Figur aber auf das Herz des american dream selbst abzielt: den Mythos, dass jeder es schaffen kann. Trotz des scheinbar grenzenlosen Reichtums wirkt Gatsby insbesondere in der Interpretation von Leonardo di Caprio wie zum Außenseiter verdammt. Schon die ersten Bilder des Films zeigen einen Mann, der einsam auf seinem Steg an der Bucht steht und zu einem grün pulsierenden Leuchtturm hinüberblickt, wo Daisy (Carey Mulligan), die Ehefrau Buchanans lebt. Schneeflocken, oder sind es Seifenblasen, versehen den Raum mit einem Hauch von Illusion. Aus finanzieller Vernunft geheiratet, verbindet Daisy in der Vorstellung Gatsbys auch nach Jahren noch ihre Gefühle. Doch schon vor der finalen Pointe dieser Erzählung nimmt sich das Projekt, einen Berg an Reichtum anzuhäufen, um einer Frau auf Augenhöhe begegnen zu können, als ziemlich bitterer Kommentar für Amerika aus.

Die Opulenz der Bilder

Dass der Leuchtturm drüben in einem eher kühlen Grün leuchtet, darf bereits als Omen verstanden werden. Überhaupt ist Baz Luhrmann („Strictly Ballroom“, „Moulin Rouge!“) seiner Vorliebe für intensive Farbgebung, Opulenz und Bewegung treu geblieben. Die USA der Zwanziger Jahre präsentieren sich hier als Horte nobler Dekadenz – bei den Buchanans kontrastieren stumme und starre schwarze Diener weiß durch den Raum wehende Tüllvorhänge – oder neureichen Übermuts, wie bei Gatsbys schrillen Parties mit mehreren Dancefloors. Luhrmann ist dabei nicht an einer restaurativen Haltung des Geschehens der Roaring Twenties interessiert. Die Feste werden zu fetten Rhythmen von Beyonce und Jay-Z abgefeiert, während der Schlund, dem Gatsby einst entstieg – die Armenviertel vor New York – sich metaphorisch als Vorhof zur Hölle präsentiert. Die Schwärze der aufgerissenen Erde und der Erdölquellen hat sich wie ein Stigma über die Menschen selbst gelegt. Rauschhafte Kamerafahrten und ein unsteter Schnitt setzen zudem einen deutlichen Kontrast zwischen der repräsentativen Menge und dem einsamen, letztlich anteillosen Dirigenten dahinter, Gatsby. Ein wenig paralysiert sich der Film bereits, wenn er viel seiner Aufmerksamkeit dafür verwendet, aus den Augen Gatsbys das Erreichte – Reichtum, Parties, Finanzmacht – zu zeigen, nicht aber das Unerreichte. Daisy, die für den verwehrten gesellschaftlichen Status des Emporkömmlings steht. Erst als sich nach zwei Stunden die Ereignisse zuspitzen, findet Luhrmann weg vom formalen Aufruhr zu einer emotionalen Intensität. In einem New Yorker Hotelzimmer will Gatsby mit leiser Verzweiflung – und vor den Augen von Tobey Maguire, der den Chronisten dieser Erzählung gibt – Daisy zu einem Bekenntnis gegenüber ihrem Ehemann bewegen. Die Art und Weise seines Scheiterns macht schließlich auch in der Verfilmung von Luhrmann am Ende deutlich, dass diese ungreifbare und geradezu unsichtbare Figur Gatsby tatsächlich eine eher untypische Verbindung von superreichem Magnat und aufrichtigen Gefühlen darstellt. Luhrmann ist alles andere als ein Romantiker, aber er gibt dieser Seite gerade so viel Raum, dass auch der Zuseher Gewissheit hat, warum vor Gatsby „The Great“ geschrieben steht.