Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Gunnar Landsgesell · 14. Jän 2022 · Film

Spencer

Im August jährt sich der Todestag von Lady Diana zum 25. Mal. Kristen Stewart verkörpert die Princess of Wales als besondere Leidensfigur. Zugerichtet wie in einem Gefangenenlager.

Als zu Beginn eine Kolonne von Militärjeeps vor dem Landsitz der Windsors vorfährt, denkt man an eine Kriegsszene. Doch in den sargähnlichen Kisten, die die Männer in die Großküche tragen, befinden sich Hummer, Pasteten und andere edle Speisen. Es ist Weihnachten. Die königliche Familie zieht sich traditionell in das Sandringham House zurück und verbringt die Tage dort mit der Vogeljagd und anderen royalen Freuden. Regisseur Pablo Larrain hingegen macht von der ersten Einstellung seines Films an klar, dass man sich in „Spencer“ in einer Art militärischem Sperrgebiet befindet. Die Stacheldrahtzäune, die Leibwächter und der kleine Hofstaat, auf dessen Bedienstete man in jedem Raum wie auf Spitzel trifft, entsprechen ihrem Auftrag im Drehbuch von Steven Knight („Verschwörung“, „Locke“) auf eine eher pervertierte Weise: Sie schirmen nicht die aufdringliche Presse ab oder sorgen für das Wohl der Prinzessin, sondern machen ihr das Leben zur Hölle. Die konsequent subjektiv gehaltene Perspektive Larrains auf seine Protagonistin wirkt dann irgendwann auch dementsprechend beklemmend.

Eine Zustandsbeschreibung

Kristen Stewart, durchaus überraschend besetzt, füllt diese recht eng gefasste Jobdescription jedenfalls idealtypisch aus. Von der Bulimie bis zur Selbstverletzung, von erfolglosen Ausbrüchen bis zu Demütigungen durch die Queen und ihre königlichen Vollstrecker buchstabiert „Spencer“ die Leiden der jungen Prinzessin durch. Der Film droht dabei irgendwann selbst die Form eines Disziplinierungsapparats von Stewart anzunehmen. Freiräume, in denen Diana mit ihren beiden Söhnen oder ihrer einzigen Vertrauensperson Maggie (Sally Hawkins) zu sehen ist, schwinden im Lauf der Ereignisse gänzlich. Fast randständig nimmt sich die Präsenz des Ehemanns, Prinz Charles (Jack Farthing) aus. Mit seinen wenigen, schrulligen Auftritten wirkt er wie an den Rand gedrängt. Sein emotionale Distanz wird dennoch durch einige, pointierte Szenen deutlich. Etwa durch die wuchtige Perlenkette, die er praktischerweise gleich doppelt eingekauft hat: für seine Frau und seine Geliebte. Dass Larrain weniger an einer realistischen Erzählung interessiert ist, zeigt sich übrigens auch in der Auswahl des Drehortes. Statt des mittelalterlichen Sandringham House wählte man das münsterländische Wasserschloss Nordfelden, dessen Backsteinbauweise aus dem 18. Jahrhundert doch recht (nord)deutsch wirkt. Mit der Person der Lady Di hat man am Ende dieser Erzählung nicht wirklich Bekanntschaft geschlossen. Zu sehr widmet sich der Film einer Zustandsbeschreibung, übersteigert bis in die Klaustrophobie. Aber vielleicht ist ja genau das der Grund, warum einem die Princess of Wales heute, bald 25 Jahre nach ihrem Todestag, wieder begegnet. Als Symptom eines Königshauses, das auch aktuell gerade wieder in den Schlagzeilen ist.