Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 03. Jän 2013 · Film

Silver Linings

Nach dem Boxerdrama „The Fighter“ legt David O. Russell mit seiner Verfilmung von Matthew Quicks gleichnamigem Bestseller eine Tragikomödie um einen soeben aus der Psychiatrie entlassenen Enddreißiger und eine ebenfalls psychisch angeschlagene junge Frau vor. Temporeiche Inszenierung, Liebe zum Detail und ein um Bradley Cooper und Jennifer Lawrence lustvoll aufspielendes Schauspieler-Ensemble sorgen für ein sehr unterhaltsames Feelgood-Movie.

Psychisch schwer angeschlagen sind die beiden Protagonisten von David O. Russells sechstem Spielfilm, dennoch wird „Silver Linings“ nie zum schweren Drama, sondern vermittelt von Anfang an durch hohes Tempo und Witz Lebensfreude und Optimismus.
Acht Monate war Pat (Bradley Cooper) in der Psychiatrie, weil er den Geliebten seiner Frau schwer verprügelt hat, als er sie in flagranti unter der Dusche ertappte. Eine bipolare Störung wurde bei der Untersuchung festgestellt. Jetzt holt ihn aber seine überbesorgte Mutter (Jacki Weaver) auf eigene Verantwortung aus der Klinik ab.
Pat quartiert sich im elterlichen Heim wieder in seinem Dachzimmer ein, hofft auf einen Neubeginn und die Titel gebenden Silberstreifen am Horizont. Wie sich aber sein Vater, der wohl nicht zufällig ebenfalls Pat heißt, nur für die Football-Mannschaft Philadelphia Eagles interessiert, selbst aber seit einer Schlägerei Stadionverbot hat, so gilt das ganze Interesse des Sohnes der Rückgewinnung seiner Frau Nikki.

Unkonventionelle Annäherung

Weil Nikki aber ein Kontaktverbot erwirkt hat, versucht sich Pat ihr auf Umwegen zu nähern. Bei einem Dinner bei Freunden lernt er die junge Tiffany (Jennifer Lawrence) kennen, die Nikki kennt. Doch auch Tiffany ist eine versehrte Seele. Über den Tod ihres Mannes ist sie nicht hinweggekommen, hat sich in der Folge mit allen Männern an ihrem Arbeitsplatz – immerhin elf – getröstet.
Unkonventionell verläuft ihr Gespräch beim Dinner, unterhalten sie sich doch über die unterschiedlichen Medikamente, die sie schon eingenommen haben. Beim Treffen in einem Diner fragt er sie dann über ihre sexuellen Beziehungen aus, bis sie sich darüber streiten, wer von ihnen nun verrückter sei. Dennoch erklärt sie sich bereit Pats Briefe Nikki zu übergeben, wenn er als Gegenleistung mit ihr für ein Tanzturnier trainiert.

Nebenfiguren und Details

Recht vorhersehbar ist der weitere Verlauf der Handlung, das enorme Erzähltempo und Russells Blick für Details wie Pats unkonventionelle Outfits, die Familiensituation und Nebenfiguren lassen aber darüber hinwegsehen. Mit einer stets bewegten und nah geführten Handkamera (Kamera: Masanobu Takanayagi), einem dynamischen Schnitt und ebenso schnellen wie treffsicheren Dialogen – schwer kann man sich hier eine überzeugende Synchronisation vorstellen – erzeugt er zumal zu Beginn ein fast schon überdrehtes Tempo, an das man sich erst gewöhnen muss, zieht damit den Zuschauer aber auch in die Handlung hinein.
Als schräg erscheinen dabei bald nicht nur die beiden Protagonisten, sondern auch die Personen, die sie umgeben, Pats Vater und Mutter ebenso wie ein wettsüchtiger Nachbar und auch der ansonsten nüchterne indischstämmige Therapeut (Anupam Kher) wirkt nicht mehr so normal, wenn er einmal unter den bemalten Fans eines Football-Spiels entdeckt wird. Viel profitiert „Silver Linings“ davon, dass Russell diesen Nebenfiguren genug Platz einräumt. Nie verliert er die Haupthandlung aus den Augen, verbindet sie aber doch spielerisch leicht mit Pats Familiensituation und der väterlichen Football-Leidenschaft.

Lustvoll aufspielendes Ensemble

Nicht nur in diesen Themen ist „Silver Linings“ nah am Boxerfilm „The Fighter“, sondern auch in der Verankerung der Handlung im Milieu. Beiläufig, aber genau fängt er die kleinbürgerliche Welt ein, getragen wird diese Tragikomödie aber vor allem von einem Schauspieler-Ensemble, das alle Register seines Könnens zieht.
Das gilt nicht nur für Jennifer Lawrence, die wie in "Winter´s Bone" eine enorme Leinwandpräsenz ausstrahlt, und Bradley Cooper, der Pat in der Mischung aus Witz und Gefühl sehr sympathisch macht, sondern auch für Robert De Niro, der mit sichtlichem Vergnügen Pats ziemlich neurotischen Vater spielt, oder Jacki Weaver als Mutter.
So verbreiten Spielfreude, leichthändige Erzählweise, die durch einen Soundtrack, der sich unter anderem aus Titeln von Stevie Wonder, Dave Brubeck und Bob Dylan & Johnnie Cash zusammensetzt, trotz des ernsten Themas beste Stimmung, auch wenn man das allzu glatte Ende und natürlich die abgeklärte Kalkuliertheit der Inszenierung kritisieren kann: Hier weiß nämlich einer ganz genau, wie er das Publikum lenkt und bei der Stange hält, wobei sich mit der souverän erzählten Kinogeschichte freilich auch das wirkliche Leben aus dem Film verabschiedet.