Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Gunnar Landsgesell · 13. Sep 2018 · Film

Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm

Wohl mit voller Absicht scheiterten Bert Brecht und Kurt Weill Ende der 1920er Jahre damit, den großen Erfolg der "Dreigroschenoper" auch ins Kino zu bringen. Letztlich konterkarierten sie die Absichten eines Filmproduzenten, mit ihrem Theaterstück noch einmal Geld zu verdienen, statt dem Publikum die Augen zu öffnen. "Mackie Messer" erzählt von beidem: von den Querelen rund um den Dreh und von Bert Brecht als Paradeintellektuellen.

„Wer die Handlung nicht gleich begreift, braucht sich nicht den Kopf zu zerbrechen, sie ist unverständlich.“ Mit diesen Worten empfängt Bert Brecht in Gestalt von Lars Eidinger sein Publikum zu Beginn dieses Films. Es sind Originalzitate, so wie alles, was Brecht in „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm” sagt. Regisseur Joachim A. Lang variiert in seiner Inszenierung auf gewagte Weise erzählerische Formen: Biopic, Musical, Farce, Drama, Komödie wechseln in einem überbordenden Reigen beständig die Tonart, so, als wäre Max Ophüls' Bewegungskino außer Kontrolle geraten. Trotz Brechts anfänglicher Warnung versteht man aber doch recht bald, worum es hier gehen soll: um die Verfilmungspläne der Dreigroschenoper, die ein findiger Produzent nach dem großen Theatererfolg 1928 ins Kino bringen will. Für den überzeugten Kommunisten Brecht ist das Anlass genug, das lukrative Vorhaben des Produzenten zu verzögern und schließlich zu durchkreuzen. „Sie wollen, dass das Publikum glotzt statt sieht“, hält Brecht ihm entgegen. Er fordert Kinosäle voll mit Experten, die Film als Mittel gesellschaftlicher Kritik verstehen. Und irgendwie ist das auch der Auftrag von Joachim A. Lang an sich selbst bzw. seinen Film: sein Publikum ästhetisch und inhaltlich zu fordern, anstatt Brecht im Mittelmaß zu versenken. Doch an welches Expertenpublikum richtet sich dieser Film?

Kritik oder Show

Ob Lang erfolgreich war, Charaktere, Orte, Zitate durcheinanderzuwirbeln und als Potpourri auf die Leinwand zu bringen, ist wohl Geschmackssache. Über das Brecht’sche Verfremdungstheater schießt der Dreigroschenfilm jedenfalls hinaus. Die Irritationen dieser Inszenierung gehen weniger von Brecht aus, der immer wieder wie der Übervater des Geschehens auftritt, Zigarre-rauchend und in schwarzes Leder gekleidet seine Figürchen mit unsichtbarer Hand anweisend. Es ist eher das Bemühen, so viel wie möglich an Bedeutung und Subtexten in dieses Stück zu packen und es derart in Schwingungen zu versetzen. Wäre Brechts Filmprojekt tatsächlich realisiert worden, würde man es wohl auch noch mit einer Film-im-Film-Handlung zu tun bekommen. Vieles dieser Inszenierung baut auf Staunen und Irritation auf, und während man einer rastlosen Filmmusik auch einmal Ruhe vergönnen würde, beginnt das Ensemble schon wieder zu tanzen.
Lang setzt zugleich auf harte Schnitte und schnelle Wechsel zwischen den Schauplätzen, um die Grenzen zwischen Theater und Realität zu verwischen. Da gibt es die Bettlerfabrik, eine schön ausgestaltete Halle, in der unter dem Glasdach die Kleider von Menschen wie Tote hängen. Der Schauplatz erzählt davon, wie findige Typen am Leid der Menschen profitieren – hier werden die fünf Grundtypen des Elends, die das menschliche Herz rühren können, ausgebildet. Es gibt den Gangster Macheath (Mackie Messer) und seine Bande, der sich bei Empfängen kultiviert zeigt und als Sinnbild dafür dient, dass die Räuber immer mehr zu Bürgern werden. Ein zackiger Tobias Moretti verleiht dem Typus des bürgerlichen Diebes, der als erfolgreicher Banker endet, eine durchwegs süffisante Note, wiewohl die hier formulierte Kritik am Finanzwesen nur mit Mühe in einen aktuellen Kontext gebracht wird. Es gibt Einschübe über den aufkeimenden Faschismus, der die gesellschaftlichen Freiheiten bedroht. Und es gibt - über allem - einen Bert Brecht, der das Unmögliche zu denken wagt, und seien es zwei Monde, die über einer romantischen Szene aufgehen sollen – was der Filmproduzent verweigert, während es in diesem Film passiert. Die Krux daran, mit Brecht zu sprechen, ist hier aber auch, seine Worte richtig einzusetzen. Was ist Ernst und was Sarkasmus? Nicht immer wird im Film klar, woran man gerade ist, Kritik oder Show.