Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Gunnar Landsgesell · 07. Apr 2016 · Film

Freeheld

Polizistin (Julianne Moore) und Mechanikerin (Ellen Page) als lesbisches Paar, das einen Kampf um gleiche Rechte führt. Geradlinig erzähltes Beziehungsdrama, das von den Sensibilitäten Moores und Pages lebt und am Ende mit einem Over-the-Top-Auftritt von Steve Carrell weiß, wie der Tod eines geliebten Menschen im Kino vor zuviel Pathos gerettet werden kann.

Es ist, als würde eine Welt zusammenbrechen, als die Polizistin Laurel (Julianne Moore) kein Geheimnis mehr darum macht, dass sie lesbisch ist. Jahrzehnte lang war sie auf den Straßen von Ocean County, New Jersey, der Cop, so wie ihre männlichen Kollegen auch. Als sie die Mechanikerin Stacie (Ellen Page) kennenlernt und mit ihr eine eingetragene Partnerschaft eingeht, wird sie plötzlich geschmäht. Bis auf ihren langjährigen Polizeikollegen Dane (Michael Shannon) möchte man nicht mehr viel mit ihr zu tun haben. Die konservative Haltung der Kollegen findet sich auch im republikanisch dominierten Gemeinderat wieder. Als Laurel erfährt, dass sie Lungenkrebs im letzten Stadium hat, möchte sie, dass nach ihrem Tod ihre Lebensgefährtin Stacie die Witwenpension erhält. Ein Ringen um gleiche Rechte beginnt, in das sich zuletzt ein LGBT-Aktivist aus New York (Steve Carrell) einbringt und über einen schrillen „Organizing“-Feldzug auch die Medien aktiviert. Der Fall, den „Freeheld“ erzählt, beruht auf Ereignissen Mitte der 2000er-Jahre.

Buntheit gegen das Pathos


Auch wenn „Freeheld“ ein Film mit einem klaren Anliegen ist, lässt Regisseur Peter Sollett dessen Dringlichkeit dramaturgisch erst am Ende erkennen. Wenn es schließlich um das gleichgeschlechtliche Engagement und die Rechte dieser beiden Frauen geht, weicht die lange Zeit recht gelassene Erzählweise dem Appell, ja sogar der Satire. Die Herrschaften aus dem Gemeinderat werden von versammelten Aktivisten beschworen, ihre „moralischen“ Standards zu überdenken, während Steve Carrell mit seiner (durchaus komisch) ins Absurde überzogenen Figur des Gay Advocate dem Film eine völlig neue Tonalität verleiht. Bis dahin verläuft „Freeheld“ in geordneten Bahnen. Wir lernen Julianne Moore kennen, die mit ihren eingedrehten blonden Haaren zwar wie Madonna aussieht, zugleich aber eine recht wortkarge, emotional fast eingekapselte Polizistin verkörpert. Ihre Bekanntschaft Stacie, eine Mechanikerin, weiß sich in diesem Männergewerbe zu behaupten. Beide ziehen in ein Haus, legen sich einen Hund zu und kommen sich im üblichen Modus von Beziehungsfilmen näher: Zwischen kleinen Mißverständnissen und spontanen Glücksgefühlen entwickelt Sollett eine Liebesgeschichte, bei der die gesellschaftliche Wirklichkeit erst durch die Krebserkrankung einbricht. Die Polizeikollegen verleugnen sich, die Gemeinderäte verweigern die Pension und argumentieren das mit der steuerlichen Belastung für ihre Wählerschaft. In dieser Phase verdichtet „Freeheld“ seine Ereignisse und dreht die Lautstärke zwar hoch, bleibt aber in der Beschreibung der Umwelt sehr präzise: erzählt wird von der verbreiteten Gegnerschaft insbesondere der Republikaner gegenüber dem Staat (der so wenig Geld wie möglich umverteilen soll), aber auch von der Macht der Medien, die Steve Carrell und seine LGBT-Community zu nutzen wissen. Die Buntheit, die Sollett in einer Phase einbringt, in der Laurel zugleich sterbenskrank ist, überzeugt irgendwie. Die Gefahr, zuviel Pathos aufzuladen, wird dadurch gebannt.