Die Tribute von Panem
24 Jugendliche müssen alljährlich für ein Millionenpublikum an den Bildschirmen einen Kampf auf Leben und Tod führen, den nur einer überleben kann. Mit einer physisch sehr präsenten Jennifer Lawrence in der Hauptrolle gelang Gary Ross mit der Verfilmung des ersten Teils von Suzanne Collins Romantrilogie Blockbusterkino, das spannende Unterhaltung und sanfte Medienkritik bietet.
Umstritten ist Suzanne Collins Romantrilogie „The Hunger Games“, zwar ein Bestseller, aber auch heftig kritisiert wegen der Ähnlichkeit zum japanischen Roman „Battle Royale“. Gary Ross Verfilmung bringt aber immerhin frischen Wind ins Blockbusterkino. Zu gute halten muss man dem Amerikaner, dass er den schwierigen Spagat zwischen Teenagerkino und ansprechendem Angebot auch für ein erwachsenes Publikum gelungen ist. Trotz 142 Minuten Länge und relativ simpel gestrickter Handlung gelingt es ihm die Spannung durchwegs hochzuhalten.
"Fröhliche Hungerspiele"
Schauplatz der Handlung ist ein diktatorisch regiertes Nordamerika der Zukunft. Jährlich müssen hier die zwölf Distrikte je zwei Jugendliche stellen, die sich zum Vergnügen eines Massenpublikums vor den Bildschirmen bei den so genannten „Hungerspielen“ gegenseitig bekämpfen, bis nur einer übrig ist. Angeheizt werden die Kämpfe zudem noch durch die Organisatoren, die von Außen die "Spiele" anheizen, indem sie Brände entfachen oder wilde Tiere ins Spiel bringen.
Im Zentrum steht die begnadete Bogenschützin Katniss (Jennifer Lawrende), die sich anstelle ihrer kleinen Schwester als eine der zwei VertreterInnen ihres Distrikts meldet. Auf Vorstellung der Kämpfer folgt eine kurze Trainingsphase, ehe die „Spiele“ die ganze zweite Hälfte des Films einnehmen.
"Spartacus" meets Reality-TV
Der Titel „Panem“ verweist schon auf eine Referenzebene des Films. Angespielt wird hier nämlich auf die Aussage des römischen Dichters Juvenal (um 100 n. Chr.), dass man dem Volk nur „panem et circenses – Brot und Spiele“ (Satire 10,81) bieten muss, um es ruhig zu stellen. Folglich ist die Präsentation der Kämpfer, die im antiken Streitwagen vorfahren auch im Stil von Monumentalfilmen wie „Ben Hur“, oder „Gladiator“ inszeniert. Gleichzeitig mischt sich in der Architektur der Hauptstadt, die bezeichnenderweise Capitol heißt Antik-Römisches mit Maya-Tempeln und Monumentalbauten der Nazis.
Wie sich die Spiele aber an den antiken Gladiatorenspielen orientieren, die kurze Trainingsszene Kubricks „Spartacus“ abgeschaut scheint, so übt Ross in der Darstellung einer Mediengesellschaft, die nach Sensationen giert, auch Kritik am heutigen Reality-TV. Recht simpel bleibt „Die Tribute von Panem“ freilich auf dieser Ebene, kann sich mit Peter Weirs brillantem „The Truman Show“ in keiner Szene hinsichtlich Vielschichtigkeit messen.
Dichotomisches Prinzip
Das ist der Tribut, den man bei einer Großproduktion zahlen muss, die Kompromisse, die man eingehen muss, um den kommerziellen Erfolg zu ermöglichen. Denn wie in den „Panem“-Spielen dem Publikum Show und Spektakel geboten wird, so muss auch Ross dem Kinopublikum Unterhaltung bieten. Mit einer nah geführten unruhigen Kamera und einem nervösen Schnitt schafft er in den ersten Szenen Unmittelbarkeit und Direktheit, sodass der Zuschauer mitten im Geschehen ist. Zu diesem Reality-TV-Stil wird er bei den Spielen wieder zurückkehren, während bei den Vorbereitungen in der kalten Glas-Stahl-Beton-Welt von Capitol die Einstellungen weiter sind, die Inszenierung ruhiger ist.
Wie den armseligen Lebensbedingungen in den Randdistrikte – fast eine Reminiszenz an Debra Graniks „Winter´s Bone“, mit dem Jennifer Lawrence berühmt wurde – die dekadente, hemmungslos Speis und Trank frönende Gesellschaft der Hauptstadt gegenübergestellt wird, so trifft die leicht futuristische Medienwelt mit teilweise schrill gestylten Machern auf die unberührten Wälder, in denen das „Spiel“ stattfindet. Den modernsten Übertragungstechniken und Hilfestellungen mit Mini-Robotern steht der archaische Kampf mit Bogen, Schwertern, Lanzen und Muskelkraft gegenüber.
Solides Mainstreamkino
Wenig Konturen gewinnen freilich abgesehen von einer starken Jennifer Lawrence die anderen Kämpfer. Ihre Katniss wird auch als Gegenfigur zu ihren Konkurrenten aufgebaut. Wo die anderen alle Menschlichkeit ablegen und brutal morden, bewahrt sie ihre Gefühle, bleibt menschlich, agiert sozial und muss letztlich keinen ihrer Gegner selbst töten.
Einen Dreh verleiht Ross dieser stark dichotomisch aufgebauten Geschichte, indem sich unter den Kämpfern ein Liebespaar bildet, aber auch inszenatorisch beweist er wie die Organisatoren der Spiele Finesse und Variantenreichtum. Überzeugend vermittelt er visuell Halluzinationen durch Wespenstiche, akustisch den Gehörverlust durch ein Knalltrauma oder lässt in einem eindrücklichen Kinomoment Katniss´ Kleid in Flammen aufgehen.
Sauber gemachtes Mainstreamkino, das nicht nur visuell einiges zu bieten, sondern auch statt auf Effekte auf eine solide Geschichte setzt, ist das, für einen großen Film fehlt „Die Tribute von Panem“ aber wie den hier kritisierten Reality-Shows letztlich doch der Tiefgang.