Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 31. Mär 2016 · Film

10 Cloverfield Lane

Eine junge Frau (Mary Elizabeth Winstead) wacht nach einem Unfall in einem Bunker wieder auf, Assoziationen mit dem kürzlich gestarteten "Room" liegen nahe. Mit der Figur von John Goodman wird dem Publikum das Rätsel gestellt, ob es sich dabei um eine Rettung oder eine weitere bizarre Geiselnahme handelt. Das funktioniert bedingt.

Ein Beben lässt den Tisch zittern, auf dem eine junge Frau namens Michelle (Mary Elizabeth Winstead) gerade ihre persönlichen Sachen aufsammelt. Die Vibration ist so marginal ins Bild gesetzt, dass unklar bleibt, ob sich die Welt draußen geschüttelt hat oder gerade ein akuter Gemütszustand die Sinne täuscht. Tatsächlich scheint sich Michelle eben aus ihrem bisherigen Leben zu verabschieden. Ein letzter Blick nach draußen lässt den Mississippi und das World Trade Center von New Orleans erkennen und schon sitzt sie im Auto und fährt Upstate Louisiana davon. Die Anrufe eines gewissen Ben, er ist offenbar ihr Fluchtgrund, bleiben ungehört. Was danach kommt, bleibt Anlass für Spekulationen, zu denen das Publikum auch das gesamte restliche Geschehen von „10 Cloverfield Lane“ über angehalten ist. Wenn Michelle nach einem Unfall in einem kahlen unterirdischen Raum wieder aufwacht, dann findet nicht nur der Film nach dem knappen Intro zu seinem urplötzlichen Neubeginn, sondern appelliert sogleich ganz kräftig an die Sinne und Ängste des Zusehers. Entspinnt sich hier ein Geisel-Drama, wie im kürzlich gestarteten „Room“? Wird durch die Eisentür als nächstes der Peiniger dieser Frau treten? Dass schon bald John Goodman (als „Howard“) den Raum betritt, mag rein besetzungstechnisch signalisieren, dass es nun so schlimm nicht kommen wird.

Nicht konsequent zu Ende gedacht


Es würde nicht viel Sinn machen, „10 Cloverfield Lane“ inhaltlich weiter aufzublättern. Die Dramaturgie des Films lebt davon, Grenzgänge im Sub-Genre des „Bunker-Dramas“ zu erproben. Entführer und Entführte, Opfer und Täter, die Gewissheit von Gut und Böse, das sind die Kategorien, die es wahrnehmungsmäßig zu erschüttern gilt. Die Geometrie der Macht – mit Winstead, Goodman und John Gallagher Jr. als dem dritten „Gefangenen“ unter der Erde – spielt selbstverständlich eine zentrale Rolle. Die Form des Psychothrillers steht Pate, eine gewisse nerdy-ness fügt Regisseur Dan Trachtenberg („Portal: No Escape“) dem Look des Films hinzu. Dazu trägt vor allem der nach einer Entzugskur wieder fit wirkende John Goodman bei, der als schwer einschätzbarer Mann mit widersprüchlicher Aura an seine Rolle des jüdischen Faschisten in „Big Lebowski“ erinnert. Umkreist wird er von einer agil wirkenden Frau mit konkreten Plänen, die von Winstead wirkungsvoll, aber auch ein wenig vordergründig angelegt ist. „10 Cloverfield Lane“ ist sichtlich bemüht, mit einer großen dramaturgischen Offenheit zu operieren, nicht zuletzt deshalb, um als Spin-off des Sci-Fi-Thrillers „Cloverfield“ (2008) anzuschließen. Der Film, in dem Aliens von der Erde Besitz ergreifen, war aus einer Blair-Witch-Perspektive gefilmt, als Found Footage, das einem das Geschehen im Augenzeugenstil präsentiert. Das gelingt hier nicht mehr, die Frage nach der Existenz der Aliens wird in „10 Cloverfield Lane“ nur eine von mehreren Unwägbarkeiten, die die inneren und äußeren Bedrohungen anheizen sollen. Die Aporie, eine Situation ohne Lösung, quasi die Ausgangssituation des Films, findet letztlich aber keine konsequente Umsetzung.