Neu in den Kinos: „Teaches of Peaches" Musikdoku des gebürtigen Vorarlbergers Philipp Fussenegger (Foto: Avanti Media Fiction)
Peter Füssl · 11. Mai 2023 · CD-Tipp

Dominic Miller: Vagabond

Möglicherweise konnte er ja wirklich jeglichen Anflug von Eitelkeit in den mehr als 30 Jahren und 1000 Konzerten, in denen er vor hunderttausenden Fans in aller Welt das Rampenlicht größter Bühnen mit Sting teilen durfte, schon voll ausleben – zumal er auch zuvorderst auf der Wunschliste zahlreicher anderer Weltstars steht. Jedenfalls rangiert der aus Argentinien stammende Dominic Miller im absoluten Spitzenfeld der Favoriten um den Titel „Uneitelster Gitarrist“, wie nun auch sein mittlerweile drittes, von Manfred Eicher in gewohnter Perfektion produziertes ECM-Album unter Beweis stellt.

Mit den acht neuen Eigenkompositionen gelingen ihm dafür wieder wundervolle impressionistische Stimmungsbilder, zu denen er sich während der durch die Corona-Lockdowns bedingten Zwangspausen auf ausgedehnten Spaziergängen durch seine südfranzösische Wahlheimat inspirieren ließ. So wie Miller auf seinem exzellenten letzten Album „Absinthe“ (2019) den Bandoneon-Virtuosen Santiago Arias, einen Meisterschüler Dino Saluzzis, ins Spotlight rückte, geschieht dies nun mit dem Pianisten Jacob Karlzon. Der Schwede, der sich mit seinen eigenen Bands längst einen hervorragenden Ruf in der Nachfolge Esbjörn Svenssons erspielt hat, aber auch durch zahlreiche Projekte unter anderem mit den Sängerinnen Viktoria Tolstoy, Rigmor Gustafsson oder Caecilie Norby bekannt geworden ist, füllt diese freien Spielräume mit wundervollen, teils extravaganten Pianoläufen – etwa im rockigen „Clandestin“ oder im kantig-expressiven „Altea“. Dominic Miller liebt es, sich nicht auf eingespielte Erfolgsmodelle zu verlassen, sondern sich immer wieder mit neuen Musikern zu umgeben, denen er Maßgeschneidertes liefert, das dennoch auch genug Platz für kreative Überraschungen bietet. So ersetzte er den famosen Manu Katché durch den in New York lebenden Israeli Ziv Ravitz, der schon als Drummer und Perkussionist bei Avishai Cohen, Oded Tzur, Yaron Herman, Shai Maestro oder Vincent Peirani Hervorragendes bot. Auch auf „Vagabond“ erweist sich Ravitz als ausgesprochen sensibel agierender, wendiger und farbenreicher Rhythmiker, der mit Millers einzigem Langzeit-Kooperationspartner, dem belgischen Bassisten Nicolas Fiszman, hervorragend harmoniert, aber auch als Dialogpartner für Karlzon oder den Bandleader eine gute Figur macht. „Es war nie meine Absicht, ein Gitarrenalbum zu machen“, stellte Miller die Dinge von Anfang an klar und konzentrierte sich anstelle großer Posen auf einen harmonischen, farbenreichen Band-Sound und auf das unauffällig-brillante Kreieren wundervoller Stimmungsbilder. Diese sind zumeist von kontemplativer, zeitloser Schönheit und können – angesichts der gerade vergangenen und aktuellen Horrorszenarien – auch als perfekte Vehikel für musikalisch unterstützten Eskapismus Verwendung finden.

(ECM/Universal)