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Michael Löbl · 16. Mär 2024 · Musik

„Der Rose Pilgerfahrt"

Das Vokalensemble und Solist:innen der Stella Vorarlberg unter der Leitung von Clau Scherrer präsentierten Robert Schumanns op. 112

„Der Rose Pilgerfahrt“ von Robert Schumann ist sowohl ein Märchen als auch ein Oratorium. Clau Scherrer hat dieses Paradoxon in seinem kurzen aber informativen Einführungsvortrag dem Publikum sehr plausibel erläutert.

Es ist die Geschichte der Tochter einer Feenkönigin mit dem Namen Rose, die sich – um auch einmal Gefühle wie Freud und Leid, Liebe und Schmerz zu erfahren – in ein menschliches Wesen verwandelt. Nachdem sie all diese Gefühle inklusive Heirat und Mutterglück erlebt hat, ist ihr Ausflug in die irdische Welt zu Ende und sie wird von Engeln in den Himmel begleitet. Seit dem 20. Jahrhundert empfand das Publikum diese in Reimen verfasste Dichtung als angestaubt und gestrig. „Auf schlägt das schöne Rosenkind, wie träumend noch, das Augenpaar. Ein duftdurchfrischter Morgenwind wirft Apfelblüten ihr ins Haar“ – natürlich klingt diese romantisch-biedermeierliche Welt auch für uns etwas altmodisch, aber der Text ist ein Ausdruck der damaligen Zeit und soll gemeinsam mit Robert Schumanns Musik als solcher vorurteilsfrei schlicht und einfach genossen werden. 

Ein Märchen als Oratorium

1850 wurde Schumann Städtischer Musikdirektor in Düsseldorf. Zur Einweihung des Musiksalons ihrer neubezogenen Wohnung ließen sich Clara und Robert Schumann etwas Besonderes einfallen: ein weltliches Oratorium für kleinen Chor und Solist:innen vor geladenen Gästen,Clara saß am Flügel, Robert dirigierte. Der Text stammte von Moritz Horn, wurde von Schumann aber teilweise stark verändert, allerdings mit Zustimmung des Autors. Ein Jahr später instrumentierte Schumann das Werk, obwohl ihm die Klavierfassung eigentlich „vollkommen hinreichend erschien“. Schumanns Vertonung ist analog zum Text vollkommen undramatisch, die romantischen Reime spiegeln sich in der Musik wider. Ist das tatsächlich derselbe Schumann, der vier Symphonien, die „Kreisleriana“ oder die g-moll Klaviersonate geschrieben hat? Als Zuhörer lässt man sich am besten fallen und taucht ein in eine Stunde pure Romantik.
Benjamin Lack hat sich ja zu Beginn des Wintersemesters in Richtung Kunstuniversität Graz verabschiedet. Er leitet weiterhin das Orchester der Stella Hochschule, alles andere hat er aber abgegeben. Auf seine Anregung hin hat die Institutsleitung den Schweizer Clau Scherrer verpflichtet, um mit Chor und Vokalensemble zu arbeiten. Eine geniale Idee, denn der Graubündner Musiker hat am Landeskonservatorium u. a. bei Ferenc Bognár studiert, kennt also das Haus und seine Eigenarten und hat sich als Leiter der Chöre Cantus Firmus Surselva und vocal Origen aber auch als Musikalischer Leiter des Origen Festivals Cultural einen Namen gemacht. Erst vor wenigen Wochen wurde ihm der Bündner Kulturpreis 2024 verliehen.

Außergewöhnliche Ensemblekunst

Im Rittersaal der Feldkircher Schattenburg präsentierte er am Freitagabend mit Robert Schumanns „Der Rose Pilgerfahrt“ das Ergebnis seiner ersten Arbeit mit den Gesangsstudent:innen der Stella Hochschule. Im Mai gibt es dann ein Konzert in Bregenz mit dem Stella-Chor im Rahmen des Bodenseefestivals. Das Ensemble auf der Bühne der Schattenburg setzte sich zusammen aus den Sängerinnen Sarah Schmidbauer, Liv Cosima Kircher, Sarah Kling, Karoline Streibich, Insil Choi, Aseman Mohammadbeigi, Lea Cecchinato und Andrea Zielke sowie den Sängern Clemens Breuss, André Sesgör, Michael Nemetschke, Yauheni Post und David Höfel. Nicht zu vergessen die beiden hervorragenden Pianistinnen Yaejoo Hwang und Dorsa Saberi, die Schumanns anspruchsvollen Klavierpart mustergültig gestalteten.  
Clau Scherrer ist ein Klangzauberer, das hat er ja bereits öfter mit seinen eigenen Chören in Projekten mit dem Ensemble Concerto Stella Matutina unter Beweis gestellt. Er hat die solistischen Passagen und die Chorteile klug unter den Sängerinnen und Sängern aufgeteilt, jeder war mehr oder weniger sowohl Solist als auch Teil des Chores. Es wäre ungerecht, einzelne Stimmen hervorzuheben, alle Ensemblemitglieder hatten eigene Aufgaben, fügten sich aber als Teil des großen Ganzen in das Vokalensemble ein. Absolut verblüffend war, wie Clau Scherrer aus den dreizehn solistischen Einzelstimmen immer wieder homogene Ensembles formte – ein Männerquartett, ein gemischtes Quintett oder ein Damenterzett – und welche klanglichen Qualitäten all diese Gruppen entwickelten. Man versank ganz in der Musik und genoss vokale Ensemblekunst auf sehr hohem Niveau.
Man darf gespannt sein auf Clau Scherrers Konzert mit Gabriel Faurés Requiem am 3. Mai in der Herz-Jesu-Kirche in Bregenz. Dann mit dem großen Chor der Stella Musikhochschule im Rahmen des Bodenseefestivals. 

https://stella-musikhochschule.ac.at
https://bodenseefestival.de