Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Peter Füssl · 08. Feb 2021 · CD-Tipp

Mario Rom’s Interzone: Eternal Fiction

Mit „Eternal Fiction“ feiern Trompeter Mario Rom, Kontrabassist Lukas Kranzelbinder und Drummer Herbert Pirker ihr zehnjähriges Band-Jubiläum und gehen mit einer perfekt stimmenden Bandchemie wie schon auf den drei Vorgänger-Alben unglaublich kraftvoll, kreativ und abwechslungsreich ans Werk. Gestartet wird mit dem gleichermaßen lässig swingenden wie nachdenklich stimmenden Rumba „Are We Real?“, der unvermittelt in das nervös quirlige Bebop-Stück „No Measure of Health“ umschlägt, gefolgt vom kraftvoll-vorantreibenden Titelstück „Eternal Fiction“, das vom mystisch-melancholischen Ruhepol „You’ll Find Me No More“, dem einzigen Kranzlbinder-Stück unter lauter Rom-Kompositionen, abgelöst wird. Die Musiker hatten Ornette Coleman als Inspirationsquelle im Kopf, folglich ist stets mit Überraschungen zu rechnen.

Sei es ein rumpelndes Blues-Motiv – das Stück entstand unter dem Einfluss einer Bluesband auf Kreta, die der Jungfamilie Rom bis zwei Uhr morgens den Schlaf raubte –, das schweißtreibende „Phenomenon“ oder das spannungsgeladen verhaltene „Chant for the Voiceless“, das allen leidenden Lebewesen gewidmet ist, nicht zuletzt den 2000 Tieren, die sekündlich sterben. Mario Rom ist natürlich ein unglaublich virtuoser Trompeter, der seinem seltsam gebogenen Instrument jegliche Stimmungen und Farbnuancen entlocken kann, der es hochenergetisch brennen oder sich im geheimnisvoll vernebelten Röcheln fast auflösen lässt. Aber das Trio versteht sich als Kollektiv und wäre in der Tat undenkbar ohne das wendige, erdende Bassspiel des Shake Stew-Chefs Lukas Kranzelbinder und den energisch-einfallsreichen Herbert Pirker – man höre sich nur seine Schlagzeug-„Begleitung“ auf „Responsibility“ an, die quasi einem sechsminütigen Dauersolo gleichkommt. Nachdem die erste Dekade dem Thema „Truth“ (die Alben hießen „Nothing is True“, „Everything is Permitted“ und „Truth is Simple to Consume“) gewidmet war, soll nun als gemeinsame Klammer über dieses und die folgenden Alben der Begriff „Fiction“ dienen. Eine gute Wahl, da man davon ausgehen darf, dass William S. Burroughs weiterhin der Säulenheilige der Band bleiben wird, auch wenn sie sich dieses Mal unter anderem vom israelischen Historiker und Bestseller-Autor Yuval Noah Harari („Eine kurze Geschichte der Menschheit“) inspirieren ließ. Zu verkopft will man es ohnehin nicht angehen, wie das finale „Here’s To Another Decade“ – ein ziemlich schräger Bebop-Free Jazz-Verschnitt – quicklebendig und humorvoll konstatiert. 

(Traumton)