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Anita Grüneis · 19. Mär 2023 · Literatur

Carola Schatzmann im Schlösslekeller Vaduz: Der Hipster ist das eitelste Landsäugetier der Welt

„Carola Schatzmann stand schon lange auf unserer Wunschliste für die Reihe ,Die andere Lesung’“, sagte Mathias Ospelt, Präsident des PEN-Clubs Liechtenstein, bei der Begrüßung der Gäste im Schlösslekeller. Die 41-jährige Art-Direktorin und Autorin publiziert ihre Satire-Kolumnen „Stadt Land Stuss“ seit fünf Jahren in der „LIEWO“, und so nannte sie ihre Lesung denn auch konsequent „Stadt Land Schlösslekeller“. Das Publikum erlebte eine wortgewaltige und sprachgewitzte Autorin.

Sie sei nervös gewesen, weil sie Angst hatte, dass niemand kommen würde, gestand sie gleich zu Beginn. Aber auch Angst, dass jemand kommt, fügte sie mit einem Schmunzeln hinzu. Eine Sorge, die unberechtigt war, denn ihre Leserinnen und Leser sind treue Fans – und diejenigen, die noch nicht dazu gehörten, reihten sich nach diesem Abend gerne ein. Carola Schatzmann ist eine feinfühlige Beobachterin, die ihre Eindrücke sowohl in treffsicheren Illustrationen als auch in präzisen Beschreibungen wiedergibt. Die studierte Mediengestalterin und Mutter dreier Kinder tut dies mit viel Witz.

Typen zum Verlieben und Abgewöhnen

So finden sich in ihren Charakterstudien jene Typen wieder, die viele kennen, wie zum Beispiel den Romantiker, dessen Wesen von „Sanftmut und einer hohen Sensibilität“ bestimmt wird und der in der Paarungszeit „bevorzugt über Lionel-Richie-Songs oder Liebesgedichte“ kommuniziert. Hingegen weist der Fitness-Typ zwar einen „stämmigen und robusten Körperbau auf“, allerdings „verkümmert bisweilen das Gehirn durch seine Anstrengungen unterhalb des Kopfes, sodass er manchmal nur eine rudimentäre Intelligenz aufweist.“ Für die Fortpflanzung bereite er seinen Körper speziell vor: „Selbstbräuner und das Einölen der Muskeln lassen ihn ausschauen wie ein Ganzkörperleberfleck, steigern aber sein Selbstwertgefühl.“ Der Familienmensch hingegen muss sich gelegentlich „einem brutalen Matriarchat unterstellen“ und sein Sozialverhalten ändern: „Der ritualisierte Trank von alkoholischen Getränken mit seinen Geschlechtsgenossen ist dem Männchen nur noch selten vergönnt.“

Ein bisschen Berlin ins Fürstentum

Carola Schatzmann, die mit Mann und Kindern in Berlin lebt, erzählte an diesem Abend auch von ihren Erfahrungen in der Weltstadt, wo ein gestohlenes Fahrrad zum Alltag gehöre, weshalb ihre Freundin Julia jetzt immer beim Abstellen den Fahrradsitz abnehme: „Ein Fahrrad ohne Sitz klaut nämlich keiner, der ein anatomisch korrektes Hinterteil besitzt.“ Berlin sei das Herz der Hipster Szene, meinte sie. „Der Hipster ist das eitelste Landsäugetier der Welt, deshalb ist sein auffälligstes Erkennungsmerkmal sein prachtvolles Äußeres.“ Für die Autorin sehen sie aber eher aus wie die Jungs, die früher auf dem Schulhof verprügelt wurden. „Sie sind alle Individualisten, keiner ist wie der andere, aber alle sind gleich“, so Carola Schatzmann. Sie amüsiert sich über die „Klein(kariert)gartenvereine“ in Berlin, bei denen, laut Vereinssatzung, „die Hecken akkurat auf 1,10 Meter“ gestutzt werden müssten. „Man konnte und musste also immer seine Nachbarn sehen.“

Das gnadenlose Geläut

An diesem Abend kam natürlich auch Liechtenstein nicht zu kurz. So meinte sie, der Weltfrauentag würde auch „im Fürsten- und Fürstinnentum Liechtenstein gefeiert“ .Viel Resonanz erhielt sie für ihre „LIEWO“-Kolumne „Friede sei mit euch bis morgens um acht“. Darin beschrieb sie ihren Erholungsaufenthalt im Malbun, wo jeden (!) Morgen um acht Uhr die Kirchenglocken läuten und bei ihr unter anderem die Frage auslöste: „Wie viele Rosenkränze muss man beten, um Vergebung für die Kirchenskandale der letzten Jahrzehnte zu erlangen?“ Unabhängig von ihrer Ansicht präsentierte sie einen Lösungsvorschlag: „Das Glockengeläut wird über Spotify an die Kopfhörer der Gläubigen gestreamt und alle anderen dürfen weiterschlafen.“
Im Mundartgedicht „Vom Pföh verweht“ beschreibt Carola Schatzmann das Schicksal von Reto: „Der Reto wohnt im Liachtasta, mit Sehnsucht noch der Wält. Sitzt immer nur Daham, alla, zum reisa fählt ihm s’Gäld.“ Und als er dann das Geld hatte, kam Gertrud ... das baldige Ende von der Geschichte: „Mit dr Theresa, i der Schesa, lauft er z’Tresa, öber d’Wesa.“ Die Autorin faszinierte an diesem Abend aber nicht nur mit ihrer Schreibkunst und ihrem Sprachwitz, sondern auch mit ihren Zeichnungen, die sie jeweils an den Bühnenhintergrund projizierte. Von diesem Multi-Talent ist noch einiges zu erwarten.

http://www.carolaschatzmann.com/