Ein Feldzug für die Geschichtsbücher: Joaquin Phoenix als Napoleon Bonaparte in Ägypten. (Foto: Sony/Apple)
Anita Grüneis · 25. Aug 2023 · Musik

Bellissima Italia beim Classic Open Air Vaduz

Star-Tenor Andrea Bocelli brachte mit seinen Freund:innen viel Italianità auf die ausverkaufte Bühne in Vaduz.

Das Eröffnungskonzert des 6. Vaduz Classic Open Air Festivals war eine Wucht. Und das nicht nur, weil Startenor Andrea Bocelli mit seinen ebenso hochkarätigen Freund:innen zu Gast war, sondern weil an diesem Abend auch das Wetter eine passende Choreographie zum Geschehen auf der Bühne lieferte.

Rund eine Stunde vor Beginn des Konzertes herrschte noch drückende Schwüle in Vaduz, dann ballten sich dunkle Wolken am Himmel. Das Publikum – das Deck der Marktplatzgarage war dank der neuen Tribüne mit über 3.000 Besucher:innen ausverkauft – erhielt bereits am Eingang einen Plastik-Regenmantel und eine kleine Flasche mit Wasser. Beides wurde im Laufe des Abends dringend benötigt, denn kaum legte das Sinfonieorchester Liechtenstein unter der Leitung von Marcello Rota mit der Sinfonia aus der Oper „Norma“ von Vincenzo Bellini äußerst temperamentvoll los, zeigte sich am Himmel ein Reigen voller Blitze. Das tat der Hochstimmung keinen Abbruch. „Der Sommernachtstraum setzt sich fort“ war vor Konzertbeginn auf der Werbetafel des Hauptsponsors Ivoclar zu lesen. Genauso war es. Nicht nur das Orchester, das gesamte Programm zauberte Italianità vom Feinsten auf die Open-Air-Bühne in Vaduz.
Startenor Andrea Bocelli startete mit seiner Arie „La Donne e mobile“ aus der Oper „Rigoletto“ seinen Arien- und Lieder-Abend und schon verdichtete sich die hochdramatische Stimmung – im Publikum wie auch am Himmel. Als dann die rumänische Sopranistin Cristina Păsăroiu „Vissi d’arte“ aus Puccinis „Tosca“ klagte, war die Dramatik nicht mehr zu überbieten – ihre Stimme allein war ein Hochgenuss, dazu blitzte und wetterleuchtete es rundum und es regnete. Gemeinsam mit Andrea Bocelli sang sie im Anschluss zwei Duette aus Giordanos „Andra Chénier“, doch beim Singen blieb es nicht, sie gestalten daraus szenische Darbietungen.

Es wird hochdramatisch

Abgelöst wurden die beiden von Serena Gamberoni, die mit Lehars „Meine Lippen, sie küssen so heiß“ nun in die eher heitere Muse führte. Die Sopranistin bestach mit ihrer klaren und ausdrucksstarken Stimme, die aber auch schelmisch und humorvoll sein konnte. Und wenn ihre und Andrea Bocellis Lippen gemeinsam nicht schweigen, sondern erzählen, was Lippen tun, wenn sie schweigen und die Geigen flüstern, dann wird es hochromantisch – nicht nur auf der Bühne. Denn inzwischen hatte sich das Gewitter beruhigt und der Regen stoppte. Für lyrische Momente sorgte Tenor Francesco Meli, der im offiziellen Programm nicht vorgesehen war, aber als Ehemann von Serena Gamberoni im Publikum saß und von Andrea Bocelli kurzerhand als weiterer Freund für eine Arie auf die Bühne gebeten wurde. Da war Belcanto vom Feinsten zu hören.

Pausenlos durch die Nacht

Auf eine Pause wurde aufgrund der Wetterlage verzichtet, stattdessen bat Marcello Rota mit dem Sinfonieorchester Liechtenstein nun zum Foxtrott aus „Le notti di Cabiria“. Nach diesem flotten Einstieg sang Andrea Bocelli eines jener Lieder, für die er von vielen geliebt wird: „Mamma“ von Cesare Bixio. Da frischte dann auch der Wind wieder auf, einige der Geigenspieler:innen mussten ihre Noten festhalten, doch das tat der Spielfreude keinen Abbruch. Denn nun ging mit Andrea Bocelli die Post ab. Ob „Funiculì, Funiculà“ oder etwas später „Granada“ – er beherrscht einfach mühelos alle Genres. Und das mit einer Grandezza, die Hochachtung gebiert. Manchmal fragt man sich, woher er all die Luft nimmt, um beispielsweise bei Granadaaaaaa das «a» nicht enden zu lassen. Dazu bereicherten mit Angelica Gismondo und Tommaso Stanzani zwei weitere Tanz-Freunde des Startenors die Szene mit einem modernen Pas de deux, das tat den Augen ebenso gut wie die Stimmen den Ohren. Auch Andrea Griminelli mit seinem zauberhaften Querflöten-Klang war wie die Sängerin Ilaria Della Bidia ein Hochgenuss – der „Pop-Gast“. Die ausgebildete Pianistin, Komponistin und Sängerin beschrieb mit ihrer Version von „Wonderful World“ eine neue Sicht auf unser Leben. Prompt begann es heftig zu regnen und Andrea Bocelli besänftigte mit „Besame Mucho“ das Geschehen. Er brachte viel Amore auf die Bühne, und dies mit einer Innigkeit, die im Publikum bei so manchem für Gänsehaut sorgte. Auch die grandiose Licht-Show sorgte für viel Stimmung.
An diesem Abend passte alles zusammen – es ging um Musik, um das Leben in der Musik, die Liebe zur Musik und Gefühle, die ihren Raum brauchen. Genau das bot das Konzert. Gemeinsam mit dem Himmel – denn am Ende regnete es immer noch leise. So viel Amore und Dramatik wären mit einer schwülen Luft unerträglich gewesen. Der Himmel meinte es also gut mit den Künstler:innen und ihrem Publikum. Dafür gab es auch stehende Ovationen und populäre Zugaben: „O sole mio“, „Time to say goodbye“ und bei „Nessun Dorma“ schlief nun wirklich keiner. 

Anna Netrebko kommt nicht!

Am Ende kam noch eine Wucht: Das Konzert mit Anna Netrebko und ihrem Gatten Yusif Eyvazov wurde offiziell «aus gesundheitlichen Gründen» abgesagt. Damit kann die Open-Air-Bühne schon wieder abgebaut werden, denn die folgenden Konzerte „Philharmonix“ am Samstag und „Evergreens für you“ am Sonntag finden im Vaduzer-Saal statt.

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