L-E-V Dance Company mit „Into the Hairy“ beim Bregenzer Frühling (Foto: Katerina Jezz/L-E-V Dance/Bregenzer Frühling)
Karlheinz Pichler · 18. Mär 2020 · Ausstellung

Wenn das Kücheninventar die Plätze tauscht - Anleitung für eine Performance zu Hause angesichts der Covid-19-Krise

Ein markantes Zeichen der künstlerischen Praxis des 1981 in Bozen geborenen Konzeptkünstlers Hannes Egger ist es, dass er das Publikum in seine Aktionen miteinbezieht und es interaktiv agieren lässt. Egger, der auch schon mehrmals in Vorarlberg ausgestellt hat, etwa in der Galerie 365 in Schnepfau oder zuletzt 2019 im Rahmen der Ausstellung „Da.Zwischen“ im Bregenzer Magazin 4, begreift das Kunstwerk nicht als Objekt, als abgeschlossenes Werk im klassischen Sinn, sondern vielmehr als Situation oder offene Plattform in Progress. Die detailliert geplanten Kunstwerke vervollständigen sich meist erst in jenem Moment, in welchen das Publikum teilnimmt. Aufgrund des Coronavirus durch das Ausgehverbot zurück auf die eigenen vier Wände geworfen - wie Millionen andere Betroffene auch -, hat er eine Performance ausgeheckt, an der jede/r Leidensgenosse/in von zu Hause aus partizipieren kann.

Der Rückzug aus dem öffentlichen Leben bringt zig Tausenden Menschen mit einem Male Zeit und Muße in Hülle und Fülle, um Dinge zu erledigen, die auf der langen Bank liegen geblieben sind. Etwa die private Buchhaltung in Ordnung bringen, Bücher abstauben, Kühl- und Eisschränke reinigen, oder einfach nur Bekannte anrufen, von denen man schon ewig nichts mehr gehört hat. Und wie unzählige andere Leute weltweit steht jetzt auch Künstler Hannes Egger stundenlang in der Küche, kocht, spült ab, räumt auf, putzt die Wohnung Länge mal Breite durch. Zwischen den als Highlights der Quarantänetage empfundenen Mahlzeiten liest er, surft im Internet, zeichnet, hört Musik, chattet er mit Freunden usw.
Egger wäre nicht Egger, würde die Verbannung ins Haus nicht die Kreativität ankurbeln. Inmitten der Kopftöpfe stehend hat er folglich in seiner eigenen Küche eine Audio-Performance entwickelt, die von jedermann/frau zu Hause nachvollzogen werden kann. Das gut sechs Minuten dauernde Performancestück hat er auf seiner Webseite veröffentlicht und es all jenen gewidmet, die in dieser speziellen Zeit zu Hause bleiben. Die Durchführung ist ganz einfach: Es reicht, die Audiodatei in der Küche abzuspielen, die auf der Webseite des Künstlers abrufbar ist (https://hannesegger.com/2020/03/14/kitchen-performance-or-the-order-of-things/), und den Anweisungen zu folgen.
Wie der Künstler wissen lässt, hat er sich für sein Küchen-Stück „Kitchen Performance or The Order of Things“ von Martha Roslers Performance „Semiotic of the Kitchen“ von 1975 inspirieren lassen. Egger beginnt seine Performance ähnlich wie die amerikanische Künstlerin mit dem Anziehen eines Schurzes, englisch „apron“, und der entsprechenden Handlungsanweisung: „Go to the kitchen. Take an apron and put in on. Stand still and repeat the word 'apron'“. Anschließend vollzieht der Künstler eine Wendung und lässt allerhand Dinge aus den Schränken räumen. Vom Kochtopf über das Küchenmesser bis zu einer Packung Reis. Höhepunkt ist das Kochen und Genießen einer gemütlichen Tasse Kaffee. Anschließend ist jedoch nichts mehr so wie es einmal war, denn alle Dinge finden eine neue Ordnung. Die Schere wird dorthin gelegt, wo früher der Salat war, die Milch dahin, wo das Messer war usw.
Mit der Performance will Hannes Egger laut eigenen Angaben dazu aufrufen "eine bewusste körperliche Erfahrung in den eigenen vier Wänden zu machen und sich mit den speziellen Umständen auf humoristische und bewusste Art und Weise auseinander zu setzten und über die Ordnung der Dinge, man könnte auch sagen der Ordnung der Welt, zu beschäftigen.“ Mit „Kitchen Performance or The Order of Things“ stellt er aber auch allgemein die Frage in den Raum, ob durch globale Katastrophen wie der Coronavirusausbreitung eingeübte Verhaltensweisen und Gewohnheiten, Sichtweisen und Ordnungssysteme ge- odere verändert werden können. „Wird die Ordnung der Welt durch den Corona Virus neu geschrieben? Können wir die Welt durch diese Krise neu denken und neu einrichten, vielleicht von der privaten Küche aus beginnend?“, so die Nachdenkaufgabe des Künstlers.