Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Karlheinz Pichler · 21. Mär 2018 · Ausstellung

Afrikanischen Masken und Figuren auf glänzendem Damast - FLATZ in der Bludenzer Galerie allerArt

Die aktuelle Ausstellung in der Bludenzer Galerie allerArt ist dem 1952 in Dornbirn geborenen und heute in München lebenden und arbeitenden Künstler FLATZ gewidmet. Dass FLATZ einmal dem Ruf nach Bludenz folgen werde, liegt auf der Hand, war die Kuratorin der Galerie allerArt, Andrea Fink, doch die erste Leiterin des 2009 in Dornbirn eröffneten FLATZ-Museums.

FLATZ ist mit provokanten, körperbetonten und autoagressiven Aktionen und Performances international bekannt geworden. Im Rahmen seiner Installation „Bodycheck/Physical Sculpture No. 5“, die er bei der Documenta IX in Kassel 1992 zeigte, bezog er erstmals auch das Publikum physisch in sein Konzept mit ein. Wie er gegenüber KULTUR betont, ist das Thema Körper-Aktionismus für ihn mittlerweile erledigt. Zum einen, weil er immer noch an die 30 Schrauben und Platten im Körper mitherum trage, die davon herrühren, dass er 2012 auf einem Gehsteig bei grüner Ampel von einem Auto niedergefahren und schwersten verletzt wurde. Zum anderen sei dieses Thema auch von anderen Kunstschaffenden - wie etwa Marina Abramović - bis an seine Grenzen ausgelotet worden.
Ein weiteres Kennzeichen seines Schaffens ist es zudem, dass FLATZ projektspezifisch immer wieder auch mit Konzernen zusammengearbeitet hat, zum Beispiel mit Porsche, Siemens oder Microsoft.

Eine Kooperation mit einem Unternehmen war nun auch Ausgangspunkt für seine Ausstellung „Global Culture Transfer“ in der Bludenzer Galerie allerArt. Der 200. Geburtstag, den die Firma Getzner Textil in diesem Jahr begeht, und deren Belieferung afrikanischer Staaten mit hochwertigen Damaststoffen war für FLATZ nämlich der Anstoß, über das Funktionieren des heutigen globalen Handels und Warentransfers künstlerisch zu reflektieren.

Reflexion über den globalen Warentransfer

Bemerkenswerter Ausgangspunkt des Ausstellungsprojektes war für FLATZ, dass im ländlichen Raum respektive in der kleinen Alpenstadt Bludenz ein mittelständischer Betrieb angesiedelt ist, der einen regen Handel mit sechzehn afrikanischen Ländern betreibt. Wobei die Ware, die ausgetauscht wird, ebenso außergewöhnlich sei. FLATZ: „Es wird hier keine Hochtechnologie von der Ersten in die Dritte Welt verkauft, nein, es handelt sich um hochqualitative, industriell hergestellte, edle Stoffe aus Damast, die die Muster und Farbvorlieben sowie stammesgeschichtlichen Bezüge der Abnehmer wiedergeben und Rückschlüsse zu den jeweiligen ethnischen Kulturregionen und deren Herkunftsländer ermöglichen.“ Insoweit sei dies ein klassischer Kultur-Transfer, betont der in der Isarstadt lebende Vorarlberger Künstler.

Gemäß den Angaben von Getzner Textil werden ihre Afrika-Damaste hauptsächlich zu Boubous verarbeitet. Wobei es sich beim großen „Boubou“ um eine locker fallende, weite Bekleidung handelt, die von der Bevölkerung in Westafrika getragen wird. Besonders kostbar gearbeitete Boubous gelten als Statussymbole der Familie und werden über Generationen weitervererbt. Pro Jahr liefert Getzner rund 20 Millionen Meter Stoff nach Westafrika.



Interessant aus Sicht von FLATZ ist es, dass sich die Verhältnisse im Laufe der Geschichte verkehrt haben. Wurden bis zum Beginn des Industriezeitalters aus Afrika in der Regel edle, handgewobene Stoffe, Gewürze und paradiesische Früchte sowie Sklaven, Kult- und Ritualgegenstände, exotische Trophäen, geschnitzte Masken und Figuren in den Westen importiert, um kontextlos als dekorative Ausstattung in den Häusern der Kulturbourgeoisie den Glanz und die Vorstellungen von Großbürgertum widerzuspiegeln, ist mit dem Anbruch des Industriezeitalters der Warenaustausch über den Weg der Kolonialisierung ein anderer geworden. FLATZ: „Die Rohstoffe der Länder wurden ausgebeutet. Um die Rohstoffe abbauen und abtransportieren zu können, wurden moderne Technologien ins Land gebracht. Dieser Waren- und Technologietransfer riss die Einheimischen aus ihren jahrhundertelang praktizierten Kulturtraditionen und katapultierte sie unvorbereitet ins Maschinen- und Industriezeitalter. Von diesem Kulturschock hat sich Afrika bis heute nicht erholt.“ Diese Form von westlicher Präpotenz und Ausbeutungsmentalität hat nach Ansicht des Künstlers bis heute Auswirkungen auf die geopolitische, wirtschaftliche und soziale Situation der Welt. Die Ausstellung "Global Culture Transfer" soll mit Hilfe der Sprache der Kunst auf diese komplexen Zusammenhänge verweisen.

Das Unternehmen Getzner, das also auf eine 200-jährige Tradition in der Textilverarbeitung verweisen kann, zeigt für FLATZ beispielhaft, wie heute Handelsbeziehungen und globale Marktwirtschaft grenz- und kontinentüberschreitend funktionieren könnten. 

In seiner im White Cube der Galerie allerArt eingerichteten Ausstellung nimmt FLATZ direkten Bezug auf die Damaststoffe Getzners und den Gütertransfer der Firma in afrikanische Staaten.

Damaststoffe, afrikanische Masken und Konferenzmöblierung

Konkret ist „Global Culture Transfer“ in drei Teile gegliedert. So zeigt der Künstler an den Wänden der Galerie installativ 168 Stoffmuster aus Damast. Diese textilen Bereiche werden unterbrochen durch Maskenbilder: Afrikanische Masken, die Getzner als Gastgeschenke erhalten hat, präsentiert FLATZ auf Damaststoffen und gerahmt.
Die beiden Stirnwände des Raumes sind skulptural besetzt. Ist die eine Stirnwand für zwei zeitgenössischen afrikanischen Figuren (Mann und Frau, FLATZ bezeichnet sie als Adam und Eva) vorbesehen, so hängt gegenüber ein romanisches Kreuz. 
Mitten im Raum letztlich wartet FLATZ auch noch mit einem Konferenztisch von Getzner mit 14 weißen und zwei schwarzen Stühlen auf. Sind die beiden schwarzen Stühlen den Delegationsleitern (Firmenchefs, Stammeshäuptlinge etc.) vorbehalten, so sind die weißen Stühle für die „normalen“ Delegierten vorgesehen. 
Mit den afrikanischen Masken setzt FLATZ über das Grundthema hinaus auch einen kunsthistorischen Verweis, hatte die sogenannte „primitive Kunst“ doch einen enormen Einfluss auf die klassische Moderne, namentlich auf Künstler wie etwa Pablo Picasso, Constantin Brâncuşi, Fernand Léger, Amedeo Modigliani, Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde oder Max Ernst.


FLATZ: Global Culture Transfer

Galerie allerArt
Bis 21.4.

Mi-So u. Fe 15-18

http://allerart-bludenz.at/galerie