Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Karlheinz Pichler · 29. Jul 2013 · Ausstellung

Ein Geschichten-Cluster aus Georgien - Johanna und Helmut Kandl in der Bregenzer Galerie Lisi Hämmerle

Johanna Kandl arbeitet projektbezogen. Ihre Ausstellungen sind jeweils einem komplexen Themenfeld gewidmet, bei dem sich ihre realistischen Bilder und Zeichnungen zu einem mosaikartigen Gefüge verbinden. Unterstützt wird sie seit 1997 von ihrem Mann und ehemaligen Kunsthalle-Krems-Chef Helmut Kandl. Letzterer erweitert den Bilderkosmos von Johanna Kandl durch seine Video- und Foto-Installationen in den medialen Raum.

Im Zentrum der aktuellen Ausstellung in der Bregenzer Galerie Lisi Hämmerle steht ein Werkkomplex des Künstlerpaares, der im Zuge eines Aufenthaltes in Georgien entstanden ist. Unter dem Titel „Wir holen das Goldene Vlies“, einem Zitat aus den Schriften Bertha von Suttners, begeben sich die Kandls auf die Spuren der Friedensnobelpreisträgerin von 1905.

„Wir holen das Goldene Vlies“


Die österreichische Pazifistin, Friedensforscherin und Schriftstellerin reiste 1876 nach einer heimlichen Trauung mit ihrem Mann Arthur fluchtartig zu Ekaterina Dadiani, der Fürstin von Mingrelien, wo die beiden acht Jahre blieben. Mingrelien, früher auch Odischi genannt, ist eine Landschaft im Westen Georgiens, die angrenzend an Abchasien am Schwarzen Meer gelegen ist. Bertha von Suttner wollte ursprünglich Musikerin werden. Sie komponierte bei ihrem Aufenthalt in der Sommerresidenz der Fürstin in Gordi einen Einakter und trug dort selbst auch zwei Arien vor. Diese zwei vergessenen Arien haben die Kandls auf der Freitreppe des mittlerweile zur Ruine verfallen Sommerschlosses in Gordi nachgestellt und mit der Performerin Megi Chikradze quasi reanimiert. Der fast absurd anmutenden Eindringlichkeit von Bild und Ton können sich die Ausstellungsbesucher in einem eigens eingerichteten Dunkelraum in der Galerie hingeben.

Land ist das neue Gold


Der Rest des Galerienraumes wird von einem Papiertheater mit Bezug zu Bertha von Suttner sowie neun Tafelbildern in Beschlag genommen. Die Motive zu den Tempera-auf-Holz-Bildern resultieren aus der Fahrt der beiden Kunstschaffenden von Tiflis nach Gordi. Dem Geschichtlichen werden somit Zeitbezüge gegenübergestellt. Die Position der 1954 geborenen Johanna Kandl als kritische Beobachterin der ökonomischen und sozialen Lage unserer Zeit wird in dieser Serie wieder evident. Sie setzt Orte, Begebenheiten, Personen, die ihr während der Reise ins Auge springen, ins Bild. Ergänzend dazu werden den Bildern Zitate und prägnante Slogans aus der Wirtschafts- und Lebenswelt eingeschrieben, damit wird ein breiter gesellschaftspolitischer Kontext hergestellt. Typisch dafür sind Arbeiten wie „Food is the new oil, land is the new gold“, „There is always a bull market somewhere“ oder „The godess of business never sleeps“.

Die Personen, die die Bilder von Johanna Kandl bevölkern, bewegen sich auf illegalen Marktplätzen, an tristen Verkehrsknotenpunkten, in Grenzzonen, im Niemandsland. Verschränkt mit den textuellen Ergänzungen verströmen die Arbeiten eine Art Resignation, Einsamkeit, Kälte, aber auch eine Form von Ironie und Märchenhaftigkeit, die kleine Luken zum Glück offen lassen.

Abseits der Tourismusdestinationen


Johanna Kandl, die auch über eine Professur an der Angewandten in Wien verfügt, bereist mit ihrem kongenialen Partner Helmut Kandl bevorzugt solche Länder, die nicht gerade im Trend der Tourismusindustrie liegen, sondern die sich durch politische Instabilität und ökonomische Umwälzungen auszeichnen. So besuchten sie im Zuge ihres politischen Konzepts, das ihrem Werk zugrunde liegt, Länder wie Aserbaidschan, Russland, Rumänien, Georgien oder die Grenzgebiete Deutschlands, Tschechiens und Österreichs. „Es ist nicht der Reiz exotischer Fernreisen, der sie in die Fremde treibt, sondern das Verlangen, an den Schauplätzen, wo sich Geschichte in die Trivialität des Alltages einschreibt, präsent zu sein. Die dabei entstandenen Schnappschüsse dienen als Vorlage ihrer Bilder und Videos,“ schreibt Ursula Maria Probst im Kunstforum International (Band 164, 2003) über Johanna Kandl.

 

Johanna und Helmut Kandl:
„Wir holen das Goldene Vlies“

Galerie Lisi Hämmerle, Bregenz
Bis 24.8.2013
Mi-Fr 14-18
Sa 10-12 u. 14-16
www.galerie-lisihaemmerle.at