Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Karlheinz Pichler · 10. Jun 2013 · Ausstellung

Das „Schwarze Quadrat" im Kunstraum Engländerbau

Die Ausstellungshalle des Kunstraums Engländerbau in Vaduz gleicht derzeit einer Ausgrabungsstätte. In einer gemeinsamen Installation katapultieren die beiden Künstler Roland Adlassnigg und Stephan Sude die Besucher in eine fiktive Zukunft, die durch eine Katastrophe in ein vordigitales Zeitalter zurückgeworfen scheint. Mithilfe klassischer Ausgrabungsmethoden wird in einem Gebäude gearbeitet, das offenbar dereinst für Kunstausstellungen bestimmt war. Von jeglichen Marktmechanismen befreit, können Kunstwerke befragt und deren ideeller Wert bestimmt werden. Adlassnigg und Sude zäumen die Frage, was denn Kunst bedeutet und worin ihr ökonomischer Wert begründet ist, für einmal von einer ganz anderen Seite auf.

Dass die BetrachterInnen aufgefordert sind, sich an den „Forschungen“ des Adlassnigg-Sude-Projektes „Backup failed – status: unknown“ aktiv zu beteiligen, wird bereits beim Eingangsbereich evident. An der Wand hängen weiße Arbeitsmäntel, die man entlehnen kann, um sich im Zuge der „archäologischen Arbeiten“ nicht zu beschmutzen. Die riesige Halle des Engländerbaus gleicht einem Ausgrabungscamp, in welchem mehrere Zelte für Detailprojekte aufgespannt sind. Überall liegen Vermessungsinstrumente, Lupen und sonstige Geräte bereit, an denen sich Forscher wie Besucher bedienen können. Im ersten Zelt links ist man auf ein in Dripping-Technik produziertes Bild gestoßen. Stammt es vom berühmten Jackson Pollock oder doch nur von Adlassnigg und Sude? Eine Besucherin mit einer Lupe in der Hand versucht der Sache auf den Grund zu gehen.

Der Besucher als Kunstarchäologe


Andernorts ist man auf ein Pissoir gestoßen – war es für den Gebrauch bestimmt oder handelt es sich um ein Readymade von Marcel Duchamps? Und an den weißen Wänden verweisen dunkle Rechtecke, dass auch hier einmal Bilder gehangen haben müssen. Bei einer weiteren Arbeitsstätte erinnert eine filigrane Skulptur an die „Schreitende“ von Alberto Giaccometti. Ganz hinten in einem weiteren Zelt wartet ein Bild, das ein schwarzes Quadrat zum Inhalt hat, auf einem Gestell darauf, untersucht zu werden. Das Herkunftszertifikat auf der Rückseite verweist auf die berühmte Tretjakow-Galerie. Ist es wirklich das berühmte Bild, das der russische Suprematist gemalt und dazu gemeint hat: „Als ich 1913 den verzweifelten Versuch unternahm, die Kunst vom Gewicht der Dinge zu befreien, stellte ich ein Gemälde aus, das nicht mehr war als ein schwarzes Quadrat auf einem weißen Grundfeld ... Es war kein leeres Quadrat, das ich ausstellte, sondern vielmehr die Empfindung der Gegenstandslosigkeit.“ (Kasemir Malewitsch)

Spiel mit dem Gebrauchswert von Kunst


Adlassnigg und Sude ziehen die Idee ihres Künststückes rigoros durch. Die Idee der Diskussion um Kunst in einer fiktiven Zukunft, die in einen prä-digitalen Zustand zurückgeworfen wird, wird wie ein Bühnenstück und in Akte (Zelte) gegliedert inszeniert. Der Kunstraum wird zum Aufführungsort einer Idee, nach der Kunst einer Neubewertung unterzogen werden soll. Eine Wertedeutung erhalten die Werke nur durch die Deutung und Faszination der Besucher. Es ist ein Spiel mit dem Gebrauchswert“, sagen Adlassnigg und Sude dazu. Da im Szenario „Backup failed – Status: unknown“ aufgrund der fehlenden Informationen keine monetäre Wertedeutung mehr über die Werke gegeben ist, wird die Distanz zum Kunstwerk zusätzlich reduziert. Was zählt, ist nur noch die direkte und unmittelbare Beziehung zwischen Kunstwerk und Betrachter.

Durch ihr Experiment reißen Adlassnigg und Sude aber auch andere Fragen an. Sie verweisen etwa auf die Situation heutiger Archäologen, die anhand von Ausgrabungen frühere Lebensbedingungen zu erschließen versuchen. Auch auf die Gefahren des Digitalisierungswahns machen die Künstler mit ihrem Projekt aufmerksam. Immerhin sind Fragen wie die Langzeitspeicherung von digitalen Daten heute noch immer nicht gelöst. Was passiert also, wenn etwa die Serverfarmen von Google und Co auf einen Schlag lahmgelegt werden? Beginnt dann wieder die Steinzeit?

 

Backup failed status: unknown
Stephan Sude (FL) u. Roland Adlassnigg (Vlbg.)
Kunstraum Engländerbau, Vaduz
Bis 23.6.2013
Tägl. 13-17 Uhr
Di bis 20 Uhr

18.6., 20 Uhr: Film „Die Stadt der Blinden" von Fernando Meirelles (121`)
23.6., 13 Uhr: Finissage
18 Uhr: Präsentation einer essbaren Skulptur von Adlassnigg/Sude