Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Karlheinz Pichler · 03. Okt 2015 · Ausstellung

Auf du und du mit der Natur - „Natural affairs“ im QuadrART Dornbirn

Die mittlerweile 23. „Ansichten“-Ausstellung in dem von Erhard Witzel und Uta Belina Waeger nach einem Gastkuratorenkonzept bespielten Kunstraum QuadrART in Dornbirn trägt den Titel „Natural affairs“. Den Titel gesetzt hat die ehemalige Galeristin Christel Schüppenhauer aus Köln, die aus der Sammlung Witzel mit „Aus dem Leben der Bienen“ eine Farblithographie von Joseph Beuys (1921-1986) ausgewählt hat, um diese als Leitthema einer Reihe von Arbeiten internationaler Kunstschaffenden voranzustellen. Beuys mit eingerechnet, sind ingesamt 17 Positionen in der Werkschau vertreten, darunter zwei Künstlerduos.

Der Anthroposoph Rudolf Steiner hat 1923 ein Buch über Bienen veröffentlicht, in dem er das Funktionieren eines Bienenstockes mit der menschlichen Gesellschaft verglich. Joseph Beuys, der „Erfinder“ der Sozialen Plastik, hat sich ausgiebig mit dieser Abhandlung beschäftigt und in der Folge das Thema „Bienen“ Zeit seines Lebens immer wieder in sein künstlerisches Werk eingebaut. In der Art, wie Bienen leben und zusammen arbeiten, waren sie für ihn ein Symbol für den Sozialismus. Er war aber auch davon fasziniert, wie sie Honig produzieren. Im Rahmen der Documenta 6 (1977)  etwa präsentierte Beuys in Kassel unter dem Titel „Honigpumpe am Arbeitsplatz“ eine Installation, die sich über mehrere Räume verteilte und 150 Kilogramm Honig durch ein umlaufendes Schlauchsystem pumpte. Neben der Honigpumpe rotierte eine Kupferwelle in 100 Kilogramm Margarine. Die „Honigpumpe am Arbeitsplatz“, eine Metapher für den menschlichen und gesellschaftlichen Organismus, war in der Gesamtheit ein Symbol für das Herz-Kreislaufsystem des Menschen. Den Zeichnungen „Aus dem Leben der Bienen“ von Beuys liegt somit der Begriff „Leben“ zugrunde. Leben ist für Beuys das Synonym für „einen funktionierenden, wandlungsfähigen sozialen Organismus“. Eine 1978 angefertigte Farblithographie auf Karton nach der 1952 entstandenen Zeichnung „aus dem Leben der Bienen“ von Beuys bildet nun auch den Ausgangspunkt der aktuellen Ausstellung „Natural affairs“ im QuadrART.

Winziges Energiekraftwerk


Wie die Kölner Gastkuratorin Christel Schüppenhauer betont, hat sie die Lithographie von Beuys dazu angeregt, ein Thema, das sie in ihrer früheren Galerienarbeit immer wieder beschäftigte, neu aufzugreifen und für die Jetztzeit neu zu bearbeiten und dabei auch Neuland zu betreten. Schüppenhauer: „Es war mir ein Anliegen, solche Künstler für die Präsentation auszusuchen, die mit ihrem Werk die Wahrnehmung der Natur mit all den vielfältigen Potenzialen stärken. Gleichzeitig war es mir wichtig, Synergien unter den unterschiedlichen Werken aus unterschiedlichen Generationen zu entfalten. In der Natur findet sich alles, was zum Leben notwendig ist, sogar eine saubere Energie durch die Sonne. Beuys’ Arbeit ‚Aus dem Leben der Bienen‘ ist als Anstoß zum Nachdenken über dieses winzige Energie-Kraftwerk, das alles, was es von der Natur nimmt, umwandelt und ihr in anderer Form vielfach zurückgibt, zur Headline des Projektes geworden.“

Wie die Kuratorin betont, hat ihr der in Berlin lebende und arbeitende Künstler Franz John, den sie selber schon mehrfach in ihrer eigenen Galerie ausgestellt hatte, bei der Umsetzung des  Ausstellungsthemas mit Diskussionen und Vorschlägen wesentlichen Input geleistet. John ist denn auch selber mit drei Arbeiten  bei den „Natural affairs“ mit dabei.

Wow


So zeigt Franz John mit „Wow“ etwa eine Sound-Installation, die von einer organischen Farbstoff-Grätzelzelle betrieben wird. John spielt mit der Arbeit auf das sogenannte „Wow!-Signal“ an. Dabei handelt es sich um ein Schmalband-Radiosignal, das der Astrophysiker Jerry Ehmann im Rahmen eines SETI-Projekts am „Big Ear“- Radioteleskop der Ohio State University am 15. August 1977 aus Richtung des Sternbildes Schütze aufzeichnete. Die Ursache des Signals ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Im Rahmen der Fernsehdokumentation „Die Aliens – Mythos und Wahrheit“, die das ZDF 2010 ausstrahlte, erklärte Harald Lesch, dass das Wow!-Signal alle Kennzeichen eines interstellaren Kommunikationsversuchs zeigte, es aber auch ein gigantischer Ausbruch eines Pulsars gewesen sein könnte. Technischen Support für diese Arbeit erhielt John übrigens von der Soft- und Hardwareentwicklerin Elektra Wagenrad, die unter anderem den B.A.T.M.A.N. Routing-Algorithmus für Freifunk-Netze sowie die Mesh-Potato, einen Wireless-Router für drahtlose Ad-Hoc-Netzwerke in Entwicklungs- und Schwellenländern, entwickelt hat.

Die beiden anderen Beiträge Johns im QuadrART heißen „Sky Nude“. Ausgangspunkt dafür war ein Farbscanner, den der Künstler 24 Stunden lang ohne Pause ins Freie stellte, um im 10-Minuten-Takt den Himmel zu scannen und diesen somit zu digitalisieren. Entstanden sind solcherart insgesamt 144 Scans, die, abhängig von Wetter und Tageszeit, überaus überraschende  und abwechslungsreiche Formen und Farben zeigen.

Natur pur


Verwendet Franz John Pflanzensaft, um Strom für die Wow-Grätzelzelle zu erzeugen, so stützen sich auch andere Künstler auf natürliche Flüssigkeiten als Basis unterschiedlichster Werke. Der 1950 geborene Schweizer Künstler, Philosoph und Forscher George Steinmann greift etwa auf Heidelbeersaft, wilde Rebe oder Antiseptikum zurück, um damit auf Leinwand oder Papier zu malen und zu zeichnen. Und vom Schweizer Eat-Art-Spezialisten Daniel Spoerri ist ein Objektschrank mit 117 Proben aus französischen Heilquellen, abgefüllt in Glasfläschchen, samt dazugehörigem Buch zu sehen.

Natur pur sind auch die Landschaftsbilder der in Düsseldorf und Arizona lebenden Ulrike Arnold. Für Werke wie „Broken Arrow Cave, Utah“ verarbeitet sie vor Ort gefundene Erde und Meteoritenstaub. Oder die Lava-Bilder und der Lava-Kubus der isländischen Künstlerin Ragna Robertsdottir. Und der Japaner Chihiro Shimotani benötigt Steine, um mit ihnen im Einklang mit Wort, Schrift und Vergänglichkeit poetische Statements zu evozieren.

Existentiell und politisch


Kuratorin Schüppenhauer verweist mit „Natural affairs“ auf die Vielfalt der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema Natur vom Ursprung her bis hin zur Nutzung der natürlichen Ressourcen in Wissenschaft und Technik. Dass es dabei auch stark ins Politische gehen kann, beweist das Künstlerduo „431art“ (Haike Rausch und Torsten Grosch). In ihrer Installation „Paradies versus die letzten ihrer Art“ wird die tropische Zimmerpflanze zu einer Projektionsfläche. Auf einem klassichen Nierentisch präsentiert sich die „adoptierte“ Grünlilie „Paul Lennon“ samt Adoptionsvertrag. Auf einem dahinter hängenden Foto ist die ebenfalls adoptierte Grünlilie „Bernd“ vor einem zerstörten Regenwald in Indonesien zu sehen. Die beiden Kunstschaffenden machen die Zerstörung von lebenswichtigen Waldgürteln zu einem zentralen Anliegen ihres Schaffens.

So richtig existentiell zur Sache geht es letztlich auch beim Margaret Raspé-Beitrag „Wasser ist nicht mehr Wasser“ (1990). Die Serie von sieben großformatigen Aktions-Fotos in Schwarzweiß ist im Rahmen einer Performance in einem stark verseuchten Gewässer im polnischen Lodz entstanden. Nicht minder interessant sind die Beiträge von Herman de Vries, Karin Sander, Timo Kahlen und den anderen Ausstellungsbeteiligten, die dem Thema „Natur“ mit unterschiedlichsten Techniken und Strategien begegnen.

 

Ansichten XXIII – „Natural affairs“
Kuratiert von Christel Schüppenhauer
Mit Herman de Vries  (* 1931, NL/D), Ulrike Arnold ( *1950, D/USA), Ragna Robertsdottir (*1945, IS), Felix Kemner  (*1934, D), George Steinmann (*1950, CH), Klaus Fritze (*1959, D), Geoffrey Hendricks (*1931, USA), Daniel Spoerri (*1930, CH), Karin Sander (*1957, D), Franz John (*1960, D), Myriel Milicevic + Alexandra Toland (D), 431art (Haike Rausch + Torsten Grosch, D), Timo Kahlen (*1966, D), Margaret Raspé (*1933, D/Gr), Ana Mendieta (* 1948-1985 C/USA), Joseph Beuys (*1921-1986, D), Chihiro Shimotani (*1934, J)
QuadrART Dornbirn
Bis 1.11.2015
Geöffnet: Jederzeit nach telefonischer Vereinbarung
www.quadrart-dornbirn.at