Auf dem Rücken der Kleinsten
Kürzungen bei den Musikschulen sind aus mehreren Gründen inakzeptabel
Angesichts der desolaten Staatsfinanzen sollte allerorts gespart werden, das steht außer Frage. Doch es gibt sensible Bereiche, die unangetastet bleiben müssen. Dazu zählen unter anderem die musikalische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen. Im Hinblick auf die Qualität und den Erfolg an den Musikschulen ist Vorarlberg ein Land der Superlative. 20.738 Schüler:innen besuchten im vergangenen Schuljahr eine der 18 Musikschulen des Landes. Für zahlreiche Schüler:innen stellen die Mitwirkung im Musikschulorchester und damit verbundene Orchesterreisen Höhepunkte aller Anstrengungen dar. Doch ab sofort will die Landesregierung neben dem Instrumentenankauf bei der Projektförderung für Konzertreisen der Musikschulorchester sparen.
100.000 Euro sind objektiv betrachtet vielleicht keine große Summe. Doch für viele musikbegeisterte Kinder und Jugendliche bedeutet genau diese Unterstützung, ihre Leidenschaft und ihr Können nach außen zu tragen und erarbeitete Werkdeutungen öffentlich präsentieren zu können. Allein deshalb illustriert diese Entscheidung der Landesregierung ein geringes Verständnis davon, was den Wesenskern der Musikschulausbildung betrifft. Musikschule ist nicht allein das Erlernen von spieltechnischen Fähigkeiten an einem Instrument. Sie ist ein Ort der Gemeinschaft, der Persönlichkeitsentwicklung und der kulturellen Teilhabe.
Unverständlich ist, dass Kulturlandesrätin Barbara Schöbi-Fink und Cenk Dogan, seit Kurzem Obmann des Vorarlberger Musikschulwerkes sowie Abgeordneter zum Landtag (ÖVP), die Kürzungen mittragen. Denn beide wissen aus persönlichen Erfahrungen über die Bedeutung des freudvollen Musizierens an Musikschulen und im Orchester.
Im Rahmen der Debatte bei der Landtagssitzung wurde argumentiert, dass die Finanzierung des Instrumentalunterrichts unangetastet bleibe. Das ist wichtig und richtig. Doch die spontanen Kürzungen im Hinblick auf Orchesterfahrten noch während des laufenden Schuljahres verunsichern viele Musikschulorchesterleiter:innen. Außerdem rütteln die Kürzungen am Grundverständnis dessen, was das Erlernen eines Instrumentes ausmacht. Der Einzelunterricht dient dazu, junge Musiker:innen für das gemeinsame Musizieren im Ensemble oder im Orchester zu befähigen. Erst jahrelanger Einzelunterricht am Instrument ermächtigt Kinder und Jugendliche, ihr Können im Orchester einzubringen. Das Zusammenspiel mit anderen stellt für viele den Höhepunkt des Musikschuljahres dar, auf den es sich lohnt, hinzuarbeiten und zu proben. Gerade im Rahmen von Orchesterreisen erleben junge Menschen die Kraft der Musik, das Gemeinschaftsgefühl und die Sinnhaftigkeit ihrer Mühen. Diese Erfahrungen prägen – musikalisch und menschlich.
Wenn nun genau in diesem Bereich Kürzungen angesetzt werden, untermauern die Entscheidungsträger ihre Unwissenheit oder ihr fehlendes Einfühlungsvermögen.
Musikalische Bildung ist mehr als Unterricht
In Sonntagsreden werden leichthin der Fleiß und das Durchhaltevermögen der Musikschüler:innen gelobt und die Bedeutung der Musikausübung für die Persönlichkeitsentwicklung hervorgehoben.
Nur wenige machen die Musik zum Beruf. Das ist auch nicht das Ziel der Musikschulausbildung. Aber alle erfahren mit ihrem Instrument eine beglückende Lebensbegleitung. Schließlich profitiert und lebt unser kulturelles Zusammenleben maßgeblich von Musikant:innen in den Blaskapellen, der Volksmusik sowie Sänger:innen in Chorgemeinschaften und in vielen anderen musikalischen Engagements. Die Freude an der Musik wird in den Musikschulen geweckt und gepflegt.
Ebenso wird im Hinblick auf die „Musikvermittlung“ betont, wie wichtig kreative Erfahrungen im Kindesalter für das kulturelle Interesse im Erwachsenenalter seien. Etwas längerfristig gedacht bedeutet dies: Wenn musikbegeisterte Kinder in den Musikschulen einen guten Nährboden vorfinden, kommt dieses Potenzial später dem Kulturbetrieb in Form interessierter Konzertbesucher:innen zugute.
Diese wenigen Beispiele zeigen, dass Einsparungen bei der musikalischen Kinder- und Jugendförderung unangebracht und kurzsichtig sind. Deshalb müssen alle Bereiche in den Musikschulen, die sich direkt auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen beziehen, unangetastet bleiben.