Demnächst in den Kinos: Die deutsch-französische Coming-of-Age-Geschichte "Tandem – In welcher Sprache träumst du?" (Foto: Julien Poupard, Les Films de Pierre, Port au Prince Pictures)
Walter Gasperi · 16. Nov 2023 · Film

Aktuell in den Filmclubs (17.11. – 23.11. 2023)

Der Filmkulturclub Dornbirn zeigt diese Woche Aki Kaurismäkis meisterhafte Tragikomödie „Fallen Leaves – Fallende Blätter“. Das SKino Schaan zeigt dagegen im Kunstmuseum Vaduz mit Stanley Kubricks Meisterwerk „Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb“ eine pechschwarze Satire auf Militarismus und das Versagen der Politik.

Fallen Leaves – Fallende Blätter: Nach sechsjähriger Pause meldet sich Aki Kaurismäki mit einer lakonischen Tragikomödie zurück, die er selbst als Fortsetzung der proletarischen Trilogie „Schatten im Paradies“ (1986), „Ariel“ (1988) und „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ (1990) sieht.
Wieder stehen vom Leben gebeutelte, einsame Underdogs im Zentrum und wieder sind die sozialen Verhältnisse bedrückend. Einzig die Liebe erscheint in dieser Situation als Rettungsanker. Auf der einen Seite ist da die Supermarktkassiererin Ansa (Alma Pöysti), die entlassen wird, als sie ein Wachmann denunziert, weil sie ein abgelaufenes Sandwich nicht in den Abfallcontainer geworfen, sondern in ihre Handtasche gesteckt hat. Auf der anderen Seite gibt es den Arbeiter Holappa (Jussi Vatanen), der seinen Job und seine Wohnung im Werkheim verliert, als seine Alkoholsucht bekannt wird. In einer Karaoke-Bar treffen sich ihre Blicke bei Schuberts „Ständchen“ und man spürt in der Schnittfolge, wie die Liebe ausbricht. Zaghaft nähern sie sich, verlieren sich aber auch immer wieder aus den Augen.
So einfach die Geschichte ist, so meisterhaft ist das inszeniert. Kaum Kamerabewegungen sind nötig, fast nur in statischen Einstellungen erzählt Kaurismäki, doch jede davon ist genau gewählt und treibt die Geschichte weiter. Dazu kommt eine Farbdramaturgie, die die Bilder zum Strahlen bringt und ihnen Präsenz verleiht. Durchtränkt von Kinoleidenschaft ist dieser Film nicht nur mit dem Kino-Besuch von Jim Jarmuschs Zombie-Komödie „The Dead Don´t Die“, sondern auch durch Kinoplakate oder den herrenlosen Hund, dem Ansa den Namen „Chaplin“ gibt.
Eine Liebeserklärung an die Vorbilder Kaurismäkis ist diese Tragikomödie, die einerseits durch Schauplätze und Ausstattung aus der Zeit gefallen wirkt, andererseits durch Radio-Nachrichten über den Ukrainekrieg in der Gegenwart verankert ist. Dieser seltsame Mix der Zeiten stört aber nicht, sondern trägt nicht unwesentlich zur ebenso betörenden wie melancholischen Stimmung bei, die durch schwermütige finnische Songs noch gesteigert wird.
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 22.11., 18 Uhr + Do, 23.11., 19.30 Uhr


Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb: 1962, am Höhepunkt des Kalten Krieges, drehte Stanley Kubrick („2001“, „Clockwork Orange“, „Shining“) diese pechschwarze Satire auf Militarismus und das Versagen der Politik. Vom Luftwaffenstützpunkt („Peace is our profession“) des paranoiden General Jack D. Ripper (Sterling Hayden) erhält der Bomberpilot Major Kong (Slim Pickens) den Befehl seine A-Bomben scharf zu machen und die Sowjetunion anzugreifen. Da der gesamte technische Apparat allzu ausgetüftelt ist, vermögen auch die Verhandlungen zwischen dem nicht nur kriegslüsternen General Buck Turgidson (George C. Scott), dem US-Präsidenten, der den geheimnisvollen Dr. Seltsam (Peter Sellers) zu den Beratungen beizieht, und dem russischen Botschafter den atomaren Holocaust nicht zu verhindern. Und während die Welt in Atompilzen untergeht, singt Vera Lynn „We´ll meet again, some sunny day“ und Dr. Seltsam denkt an die Evakuierung der intellektuellen Elite in Bergwerken. 
Unendlich reich an Details ist dieses zeitlose Meisterwerk, in dem das Lachen ständig in Entsetzen umschlägt und das Kriegsszenario von Kubrick virtuos mit sexueller Symbolik aufgeladen wird. Von seinen Themen (der Krieg, das Sexuelle im Asexuellen, das Ausgeliefertsein des Menschen, die Unmöglichkeit der Kontrolle) über den pessimistischen Grundton bis zur perfekten Inszenierung ist dies ein unverkennbares Werk dieses großen Regisseurs.
SKino im Kunstmuseum Vaduz: Do 23.11., 18 Uhr

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