Aktuell in den Filmclubs (12.9. – 18.9. 2025)
Beim FKC Dornbirn, Spielboden Dornbirn und Filmforum Bregenz / Parktheater Lindau steht diese Woche das spröde, aber konzentrierte italienische Familiendrama „Vermiglio“ auf dem Programm. Im Kino Bludenz wird dagegen im Rahmen einer Filmreihe der Aktion Demenz das Drama „Still Alice“ gezeigt, das von seiner großartigen Hauptdarstellerin Julianne Moore getragen wird.
Vermiglio: Fern scheint der Krieg in Maura Delperos zweitem Spielfilm im Jahr 1944 in einem abgeschiedenen Trentiner Bergdorf. Weder hört man Kriegslärm noch sieht man Soldaten, dennoch wirken sich die äußeren Ereignisse auch auf diese Gegend aus, als der einheimische Attilio mit dem Sizilianer Pietro (Giuseppe De Domenico) nach ihrer Desertion hier Zuflucht sucht. Die Lehrerstochter Luzia (Martina Scrinzi) verliebt sich bald in Pietro und auch eine Heirat folgt, doch nach Kriegsende will der Sizilianer nochmals in seine Heimat aufbrechen, um seine Mutter zu besuchen.
Detailreich und geduldig schildert Delpero in dem bei den Filmfestspielen von Venedig 2024 mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichneten Film die archaische bäuerliche Welt. In langen, sorgfältig kadrierten und ausgeleuchteten Einstellungen fängt die Kamera von Michail Kritschman den Alltag vom Melken der Kühe bis zu religiösen Festlichkeiten ein, vermittelt aber auch den Wechsel der Jahreszeiten vom tiefverschneiten Winter bis zum lichtdurchfluteten Sommer.
Beeindruckend kehren die vorwiegend statischen Einstellungen und die kühlen Blautöne die gesellschaftliche Erstarrung und Beengung nach außen. Nur punktuell setzt Delpero, die sich von der Kindheit ihres Vaters zu „Vermiglio“ inspirieren ließ, Musik ein. Sie emotionalisiert nicht, sondern erzählt distanziert und ruhig. Spärlich bleibt der Film auch hinsichtlich Hintergrundinformationen, wenig geben die Figuren in ihrer Wortkargheit preis. Auch die elliptische Erzählweise korrespondiert intensiv mit der Verschlossenheit dieser Welt. Nichts wird breit ausformuliert, sondern aufs Äußerste verknappt ist die Erzählweise, bei der Leerstellen zwischen einzelnen Einstellungen immer wieder von den Zuschauer:innen selbst gefüllt werden müssen.
Wie aus der Zeit gefallen wirkt „Vermiglio“ in der zurückhaltenden Schilderung und im Verzicht auf alle inszenatorischen Spielereien. In seiner bedächtigen und undramatischen Erzählweise verlangt dieses Familiendrama Geduld, lässt aber andererseits durch seine große formale Geschlossenheit und die Konsequenz der Inszenierung für zwei Stunden in diese versunkene Welt eintauchen und entwickelt im Blick auf das Schicksal Luzias auch zunehmend emotionale Kraft.
FKC Dornbirn im Cinema Dornbirn: Mi 17.9., 18 Uhr + Do 18.9., 19.30 Uhr
Spielboden Dornbirn: Mi 17.9. + Di 30.9., jeweils 19.30 Uhr
Filmforum Bregenz im Parktheater Lindau: Mi 17.9., 19.30 Uhr
Still Alice: Beim Joggen kommt die Linguistin Alice Howland (Julianne Moore) an der Uni vorbei und weiß plötzlich nicht mehr, wo sie ist. Die Welt um sie verschwimmt förmlich, nur ihre eigene Person erfasst die Kamera scharf, ihr ganzes Umfeld aber ist unscharf. – Das ist der vielleicht einzige auffällige und originelle inszenatorische Einfall in diesem Film, der freilich haften bleibt, weil er eindringlich zu vermitteln vermag, wie Alice den Bezug zur Welt verliert, wie die Krankheit sie isoliert.
Dabei ist sie erst 50, feierte gerade noch Geburtstag, als ihr plötzlich das eine oder andere Wort nicht mehr einfällt und sie nachts immer wieder aufwacht. So kontaktiert sie schließlich einen Neurologen, der nach längeren Untersuchungen früh einsetzende Alzheimer diagnostiziert.
Bewegend schildern Richard Glatzer, der selbst 2015 an ALS verstarb, und sein Ehemann Wash Westmoreland den sukzessiven Fortschritt der Krankheit. Mit Fragen zu Persönlichem auf dem Handy und Rätseln versucht Alice ihr Gedächtnis zu trainieren, doch bald muss sie den Job an der Uni aufgeben, findet im Strandhaus die Toilette nicht mehr, verliert zunehmend die Sprachfähigkeit.
Ganz auf die von Julianne Moore gespielte Protagonistin konzentriert sich die Verfilmung von Lisa Genovas 2009 erschienenem Roman. Wie sie diese Alice spielt, ist das Ereignis des Films und lässt über die biedere Inszenierung zumindest teilweise hinwegsehen. Mit Blick, Mimik und Gestik vermittelt sie eindringlich, wie Alices Verunsicherung in erschütternde Gewissheit übergeht, wie sie gegen die Krankheit ankämpft und doch zunehmend zerfällt, und wie ihr so die Welt abhandenkommt.
Kino Bludenz: Do 18.9., 19 Uhr
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