Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Dagmar Ullmann-Bautz · 07. Aug 2015 · Theater

Witzig, verrückt und abgründig - "Der Vorname" im Zunftwinkel in Wangen im Allgäu

Vor sechs Jahren wurde eine Idee geboren, die, konkretisiert und umgesetzt, heuer zum 5. Mal über die Bühne geht - kleine, aber ganz feine Festspiele im Herzen der Kleinstadt Wangen. Letzte Woche wurden die Festspiele Wangen mit der Kinderproduktion "Petterson und Findus" von Sven Nordquist eröffnet und nahmen gestern mit der Premiere von "Der Vorname" so richtig an Fahrt auf, wie es der neue künstlerische Leiter des Festivals, Tobias Materna, in seiner Begrüßungsansprache so schön veranschaulichte.

Dem interessierten Vorarlberger Theaterpublikum ist Regisseur Tobias Materna kein Unbekannter, brachte er in den letzten Jahren doch einige besondere Highlights auf die Bühne am Vorarlberger Landestheater. In Wangen inszenierte Materna die französische Komödie des preisgekrönten Autorenduos Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière. Das Stück ist seit der Uraufführung 2010 ein Kassenschlager und wurde durch seine großartige Verfilmung 2012 weltbekannt.

Einmaliges Ambiente


Es ist ein ganz bezaubernder Ort, dieser Zunftwinkel, ein kleiner Hof in der charmanten Altstadt von Wangen, der den Festspielen ihr außergewöhnliches Flair verleiht. Einen ganzen Monat lang wird dieser Winkel der Stadt nun mit Kunst und Kultur belebt sein. Vom neuen künstlerischen Leiter initiiert, wird neben dem Kinderstück und der Produktion für Erwachsene zusätzlich ein ausgesuchtes Rahmenprogramm in der Häge-Schmiede angeboten.

Runde Inszenierung


Tobias Materna hat sich mit "Der Vorname" ein Stück ausgewählt und inszeniert, das zum absoluten Renner der heurigen Festspielsaison werden kann. Eine großartige Komödie mit Tiefgang, witzig-satirisch, eine Abrechnung mit den vielen kleinen Verlogenheiten, die sich innerfamiliär und auch unter Freunden im Laufe der Jahre so einschleichen und die an einem einzigen Abend für richtigen Ärger sorgen können. Die Inszenierung ist gelungen, mit einem perfekten Timing, angereichert mit flüssigem Rhythmus und köstlichem Slapstick, sowie der absolut stimmigen Portion Ernst und Verzweiflung.

SchauspielerInnen, die richtig Spaß haben


Die Figuren sind trefflich besetzt und präzise ausgearbeitet. Elisabeth Ebner begeistert als die Dame des Hauses, genannt Babou, mit ihrer Bühnenpräsenz und einer ausgeklügelten Körpersprache und Mimik. Als ihr Ehemann Pierre überzeugt Lukas Kientzler, der die menschlichen Facetten des Literaturprofessors einerseits fein zeichnet, andererseits ganz tief ausspielt. Den Posaunisten Claude, bester Freund Babous und anfänglich beschwichtigende Figur dieser turbulenten Komödie, gibt Stephan Ignaz mit großartiger Contenance und Einfühlsamkeit. Er beeindruckt auch dann, wenn er im Stück für allergrößte Aufregung sorgt. Und dann wären da noch Pierre und Anna, der Bruder von Babou und dessen schwangere Freundin. Florian Thunemann präsentiert den attraktiven, reichen, erfolgreich-dynamischen Lebemann Vincent mit vollem Einsatz und doch einer ganz wunderbaren Leichtigkeit und Natürlichkeit. Grit Paulussen verleiht der Figur Anna eine sehr klare Struktur, zeichnet sie präzise und prägnant und macht sie somit einmalig in diesem verflochtenen und verworrenen Familiensystem.

Gelungene Ausstattung


Lorena Diaz und Jan Hendrik Neidert haben die Produktion ausgestattet und punkten mit einem grandiosen und konsequent durchgezogenen Farbkonzept sowie mit Details, welche die Erzählweise des Regisseurs vortrefflich unterstützen. So findet sich das Muster der Tapete wieder im Kleid der Hausfrau, die Farben wiederholen sich in den Kostümen, der Einrichtung und den Requisiten. Wenn sich im Laufe des Stückes die Handlung so richtig zuspitzt, die Gemeinheiten und Wahrheiten immer peinsamer werden, verkleinert sich der Spielraum der Protagonisten im wahrsten Sinn des Wortes.

Großer Applaus


Kleine Pannen und Unwägbarkeiten des Freilichtspiels meisterte das Ensemble ohne Probleme. Köstlich und niemals wiederholbar der Moment, als, kurz nachdem von der Hauskatze die Rede war, tatsächlich eine Katze zufällig und seelenruhig über die Bühne spazierte.

Immer wieder gab es Szenenapplaus und zum Schluss jubelte das Publikum begeistert, lautstark und anhaltend. Wangen ist als Stadt schon einen Besuch wert, ein Besuch, der jetzt im August mit einem wunderbaren Theaterabend gekrönt werden kann.

 

Alle Infos und Termine: www.festspiele-wangen.de/Seiten/spielplan-2015.php