Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Anita Grüneis · 08. Jun 2018 · Theater

Taboris „Mein Kampf“ als Gastspiel aus Konstanz im TAK – Viel Lärm um Nichts.

„Sie werden uns nie verzeihen, was sie uns angetan haben“ – das ist einer der typischen bitteren jüdischen Wortwitze. Der große Theatermensch George Tabori beschäftigte sich in seinem Stück "Mein Kampf" in komödienhafter Form mit dem Trauma der Shoah. Er selbst bezeichnete sein Werk abwechselnd als "Farce" und als Liebesgeschichte, und zwar "in dem Sinn, wie man es in Hollywood versteht: "A Great Love Story - Hitler and His Jew". Das Stück ist eine Auseinandersetzung mit dem, was Tabori den "Fluch, seinen Feind zu verstehen", nannte. Von alledem war im Gastspiel des Theaters Konstanz kaum etwas zu bemerken. Es war eher eine Comedy Show mit viel fucking nudity. Wenn es wenigstens der Entblößung gedient hätte, diese Nacktheit. Sie war jedoch eher Teil der brachialen Modernisierung des Stückes. 

Gleich zu Beginn wird auf einer großen Bühnenleinwand ein Tagesschau-Verschnitt gezeigt – Demagogen und Gewalt allerorten. Um das zu doppeln, machen Vermummte klar, dass Rechtsradikale im Vormarsch sind, sie stürmen in den Zuschauerraum, packen sich einen aus dem Publikum und schlagen ihn nieder. Natürlich ist es kein wirklicher Zuschauer, sondern ein Schauspieler. Alles fake! Auch auf der Bühne.

Der nette Koch Lobkowitz (Andreas Haase) ist mit Haarmähne und roter Krawatte als Donald Trump verkleidet, wobei die rote Krawatte später zur Armbinde Hitlers wird. Schlomo Herzl (Thomas Fritz Jung) ist ein nice guy, der allerdings – wer weiß warum – einen Narren an dem hoch neurotisch gestörten Adolf Hitler (Peter Posniak) gefressen hat. Allerdings ist Schlomo auch der einzige, der wenigsten ein paar leise Töne des Tabori-Stücks rettet, vor allem in den wenigen Momenten, wo es um die Fragen der Menschlichkeit und des Lebens geht. Seine Freundin Gretchen (Laura Lippmann) ist eine als Frauke Petry zurechtgekleidete Frau, die ihrem Freund Schlomo diesmal kein Huhn vorbeibringt, sondern vor seinen Augen und Ohren schreiend eine schwarze Flüchtlingspuppe namens Ali gebiert, und dazu meint: „Es wird dich warm halten im kalten Winter“. Daraufhin erzählt Schlomo von der Passion Christi und Gretchen wickelt ihren nackten Körper in eine Decke, nimmt das Püppchen dazu und schon ist die Pietà fertig. Später wird die Flüchtlingspuppe unter der professionellen Anleitung des Herren „Himmlisch“ (Tomasz Robak) geschlachtet werden, aber keine Angst, Juden schlachten keine nicht-jüdischen Kinder, das ist alles nur fake! 

Hitler tanzt atemlos durch die Nacht

Fake auch der total verquere und hochgradig gestörte Adolf Hitler, der mit Helene Fischer atemlos durch die Nacht rast, und dazu einen Strip vom Feinsten hinlegt. Das junge Publikum johlt, als es die sexy Tanga-Unterwäsche des Herrn Hitler sieht (schwarz, mit Strass-Steinen besetzt), als dieser dann auch noch unter dem Bett einen riesigen schwarzen Gummi-Dildo hervorzieht, mit dem es sich besonders aufreizend tanzen lässt und der zudem als Fake-Mikrofon dient, sind die Jugendlichen kaum mehr zu bändigen. Gegen Schluss tauchen dann noch Ku-Klux-Klan Jünger mit Fackeln auf, Schlomo Herzl hängt mit viel Blut am Körper wie ein gekreuzigter Jesus auf der Bühne, Hitler und Gretchen treten im idyllischen Trachtenlook auf, singen miteinander und zoffen sich. Alles ist gut.  

Wo ist der Hitler in uns? 

Und wozu das alles? Das Ziel, den „Hitler in uns“ zu entdecken, wie es im Programmheft steht, wird auf diese Weise wohl nicht gelingen. Den Hitler als total Meschuggenen zu erleben, schon eher. Aber vielleicht sehen die jungen Menschen das heute anders und finden so einen total beknackten Brüllaffen cool. Vor allem wenn er so eine geile Strip-Show liefert. Da ist Schlomo dagegen ein brutaler Langeweiler. Und Gretchen ist eh eine Schlampe. George Tabori betonte in seinem Stück „Mein Kampf“, dass Hitler erst durch die Liebe eines Juden zu Hitler wurde, sonst wäre er ein hysterischer Provinzbub geblieben, der weder weinen noch scheißen kann. In Konstanz ist er vom Anfang an der „Dritte-Reich-Hitler“. Ein echter Ungustl, würde man in Österreich sagen, woher Herr Hitler ja auch stammte. 

Die nächste Vorstellung im TAK ist am Freitag, den 8. Juni um 20.09
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