Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Peter Füssl · 18. Jun 2015 · Tanz

Gebrauchter Tampon zum Dessert - Teresa Vittucci sprengte beim tanz ist Festival am Spielboden jegliche Geschmacksgrenzen

Sie gibt in ihrer nach heutigen Vorstellungen eher barocken Leibesfülle nicht unbedingt das Idealbild einer Tänzerin ab, und auch ihr saloppes, bauchfreies Teddy-Plüsch-Top, pinkfarbener Pulli und Straß-Slip samt dazu passender silberner Langhaarperücke entsprechen nicht unbedingt den gängigen Modevorschriften. Aber Teresa Vittucci ist auch nicht gekommen, um zu gefallen, sondern sie will das Publikum genau dort treffen, wo es besonders weh tut: am Geschmacksnerv. Selten liegen Lust und Ekel, Blödelei und Tiefsinn so nah beieinander wie in ihrer Performance "Lunchtime".

Auftakt biblischen Ausmaßes

 

Die Show beginnt am einsamen Rednerpult, wo Vittucci die – besser: ihre – Schöpfungsgeschichte referiert. Die Füße stehen naturgemäß still, aber ihre Hände bewegen sich wie ein eigenständiges kleines Ballett, und sie lässt auch ihre Augen tanzen. Sie redet sich – via Mikrofon skurril verzerrt – in Rage, explodiert förmlich, kein Wunder, dass der Körper Kalorien fordert. Welch eine glückliche Fügung, dass sich im Publikum ein Jausensack samt Sandwich findet!

(Un-)getrübter Genuss

 

Allein ein Haar im ersten Bissen lässt das Genussbarometer gleich wieder Richtung Null absinken. Zwischen Ekel und Fresslust hin- und herschwankend, landet das Essen schließlich im hohen Bogen ausgespuckt am Boden. Auch der gebrauchte Tampon zum Dessert lässt offenbar zu wünschen übrig. Gier, Genuss, Konsum, Verschwendung, Scham, schlechtes Gewissen – die inneren Werte werden auf geschwätzige Weise gedanklich abgeklopft. Der ungeheure Sprachschwall dringt rhythmisiert besonders tief ins Ohr und kulminiert schließlich im alles zudröhnenden Techno-Sound, der Vittucci kurz mal in die Rolle der freiwillig unfreiwillig komischen Dancing Queen schlüpfen lässt. So etwas kann nur im Inferno enden, bei Vittucci gibt es freilich auch dort noch Überraschendes, das einen zumindest schmunzeln lässt. In tiefe Finsternis getaucht, intoniert sie einen Song, die einzigen Lichtquellen im gesamten Raum sind ein LED-Licht, das blau aus ihrem Mund herausstrahlt, und ein witziger bunter Neonleuchtschlangen-Slip. So klettert sie durch das Publikum, um schließlich im Nebenausgang – einem grellpink strahlenden Höllenschlund – zu verschwinden. Eine schräge Lichtgestalt!

Virtuoses Spiel mit dem Publikum

 

Die 1985 in Wien geborene Tänzerin, Performerin und Schauspielerin Teresa Vittucci hat eine klassische Ballettausbildung, aber auch die Alvin Ailey School in New York, die Experimental Academy of Dance in Salzburg und das Masterstudium der Scenic Arts Practice an der Hochschule der Künste in Bern absolviert. Ein absoluter Profi also, der da so sympathisch dilettantisch, irgendwie oberflächlich girliehaft daherkommt. Tatsächlich spielt Vittucci mit dem Publikum wie die Katze mit der Maus. Sie kokettiert, rastet aus, überschlägt sich, bringt zum Lachen und sorgt dafür, dass dieses auch garantiert im Halse stecken bleibt. Jede Sekunde hat sie alles und alle voll im Griff. Wie gerne hätte man sich noch ein paar Minuten länger drangsalieren lassen.

Das Finale des tanz ist Festivals!

Fr, 19.6. + Sa, 20.6., 20.30 Uhr
Dante Murillo (CO) & Paweł Duduś (PL): Rockers
Alexander Gottfarb (SE/A) & Alex Deutinger (A): Chivalry

Spielboden Dornbirn
www.tanzist.at
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