Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 24. Aug 2015 · Musik

Die Zuhörenden direkt angesprochen – Manuel Walser gestaltete bei der Schubertiade Schwarzenberg eine faszinierende „Winterreise“

Der Schweizer Bariton Manuel Walser war kurzfristig für den erkrankten Luca Pisaroni eingesprungen. Mit seinem Auftritt nutzte der Sechsundzwanzigjährige seine Chance, denn er zog mit seiner durchdringenden Gestaltungskraft das Publikum ohne Umschweife in seinen Bann. Neben der nuanciert geführten Stimme überzeugte Manuel Walser auch durch seine natürliche Ausstrahlung. Fern ab von Allüren, mit einer konzentrierten Ruhe, die allein der Musik und dem musikalischen Ausdruck Raum gewährte, erfüllten er und der exzellente Klavierpartner Wolfram Rieger die Lieder mit Leben.

Schuberts „Winterreise“ stellt einen Entwicklungsprozess dar, in dessen Verlauf viele Emotionen eines unglücklichen, ruhelosen, vertriebenen und hoffnungslosen Wanderers in musikalische Bilder gefasst werden. Die Herausforderung liegt unter anderem darin, widersprüchliche Gefühlswelten, die allmählich sich einschleichende Resignation sowie abgeklärte Traumbilder nachzuempfinden, zu viel Pathos zerstört das Psychodrama. In diesem Werk haben jedes musikalische Motiv, Tonschritte, bildhafte Begleitfloskeln, rhythmische Fortschreitungen und harmonische Färbungen - um nur die wichtigsten aufzuzählen - textdeutende Funktionen. Genau diese kristallisierten Manuel Walser und Wolfram Rieger subtil und eindrücklich heraus.

Mit seinem großen Stimmumfang und einem wandlungsfähigen Timbre über die Stimmregister hinweg, deutete Manuel Walser die Lieder. Entschlossen sang er das Eröffnungslied „Gute Nacht“. Unterschwellig war die bevorstehende Krise bereits in der „Wetterfahne“ zu spüren. Die nachfolgende Skepsis, die Rückschau und auch den Widerstand formulierte der Bariton unter anderem im „Lindenbaum“ gut nachvollziehbar. Einen Höhepunkt stellte die „Einsamkeit“ dar. „Im Dorfe“ wurde die Resignation des Protagonisten deutlich und spätestens im „Wegweiser“ war der Stimmungswandel vollzogen. Der „Leiermann“ bildete einen Abschluss, der zum Weiterdenken Anlass gab, denn Manuel Walser entfaltete das Lied faszinierend vieldeutig.

Wolfram Rieger als Klavierpartner zu haben, bedeutet für jeden Liedsänger eine Freude. Stets auf den Sänger bedacht und bewundernswert textdeutend in jeder einzelnen Phrase formte er den Klavierpart.

Großen Jubel gab es nach dieser eindrücklichen Werkdeutung, die große emotionale Welten öffnete. Manuel Walser war erstmals vor drei Jahren im Rahmen der „Referenzen“ bei der Schubertiade Hohenems zu Gast. Es war ein Glücksfall, dass er so kurzfristig einspringen und dabei seine Chance so gut nutzen konnte. Auf kommende Liederabende mit diesem sympathischen Sänger und sensiblen Liedgestalter darf man sich freuen.