Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Gunnar Landsgesell · 03. Feb 2017 · Film

Was Männer sonst nicht zeigen

Auf Sauna-Tour durch Finnland: In jeder Schwitzstube hocken Männer und offenbaren Gefühle, für die im Leben draußen angeblich kein Platz ist. Ein Hohelied auf die gebrochene Männlichkeit zwischen Schweiß, Bier und Birkenrouten.

Glaubt man den Regisseuren dieses Films, dann muss man in Finnland eine Sauna betreten, um das Schweigen der Männer dieses Landes zu brechen. Was Männer sonst nicht zeigen, das ist: Gefühle. Davon gibt es in diesem kuriosen, auf seine schmucklose Art gewinnenden Dokumentarfilm genug. Ohne Umschweife wechselt die Kamera von einer Schwitzkammer zur nächsten, wo Männer eilfertig Bekenntnisse über ihre Schwächen und Schmerzen, wehmütige Erinnerungen und ihr Hadern mit dem Leben offenbaren. Glücksgefühle trifft man eher selten an. Es ist, als wäre eine Last von den schwitzenden Gestalten abgefallen, alle kugelbäuchig und zumindest ein Bier in der Hand, erleichtert, nun Gehör zu finden.
In dieser Hinsicht funktioniert der Film ebenso simpel wie raffiniert. Gebrochene Männlichkeit, die sich mit jedem weiteren Saunabesuch wiederholt, während danach, im richtigen Leben, so darf man annehmen, die gleichen Männer wieder ihre ihnen zugedachte Rolle spielen. Da gibt es den Soldaten, der auch nackt Haltung bewahrt, sein durchtrainierter Körper macht einem die Härte glaubhaft, die er sich selbst gegenüber vertritt. Doch seinem Sohn, dem stünde er ganz anders gegenüber. Es gibt den von Alkohol schon etwas ausgezehrten Mann, der im Norden Finnlands, in einer improvisierten Sauna seinem Kollegen vom Verlust der Familie und dem Job erzählt. Und es gibt die Erzählung eines Mannes über seinen Großvater, der einen unglaublich langen Stapel an Brennholz hergestellt hatte, um im Fall seines Todes die Großmutter bis an ihr Lebensende mit Brennholz versorgt zu wissen. Da erfuhr ich, fügt der Erzähler hinzu, wie viele Arten von Liebe es gibt.

Wie Joonas Berghäll und Mika Hotakainen ihre Protagonisten zum Sprechen gebracht haben, bleibt in der vollkommen linearen Dramaturgie dieses Films ebenso nebensächlich wie deren Biographien. Der Reiz des Films liegt in der seriellen, kommentarlosen Abfolge fragilster Momente, die nur selten für einen Blick auf ausgedehnte Wälder oder eine Industrieanlage unterbrochen werden. Erstaunlich ist aber auch, wo in Finnland überall sauniert wird: in alten Wohnwägen und in schummrigen Kellern, selbst die Glaswände einer Telefonzelle laufen an, weil diese zu einer Ein-Personen-Sauna umgebaut wurde. Der Dampf, die Stille, die Nacktheit dieser Bilder haben etwas Gewinnendes, das Intime bleibt gewahrt. Der Aufguss mit der Kelle und der Birkenquast auf den Körpern sind dabei gewichtige Gesten.