Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Gunnar Landsgesell · 16. Jul 2015 · Film

Unknown User

Sechs Jugendliche werden von einem Geist heimgesucht, während sie im Netz miteinander skypen. „Unknown User“ ist ein Online-Rache-Thriller, der durch seine ungewöhnliche Erzählweise - ausschließlich über die Computer-Oberfläche - auffällt. Dramaturgisch hat der Film aber wenig Neues zu bieten.

Als ein Video der stockbesoffenen High-School-Schülerin Laura Barns viral wird und für jede Menge Spott im Netz sorgt, tötet sie sich mit einem Schuss ins Gesicht. Auch diese Tat hält jemand auf Video fest. Für sechs Jugendliche, die in Konferenzschaltung miteinander skypen, wird dieses „Live-Leaks-Video“ zum Auftakt einer mörderischen Racheaktion: Es ist offenbar der Geist von Laura, der sich mit dem Symbol des anonymen Users in den Chat der Gruppe eingeklinkt hat und nun über aufpoppende Fenster bedrohliche Nachrichten verschickt.

Experiment ohne dramaturgischen Reiz


Es ist keine besonders originelle Geschichte mit der „Unfriended“, wie der Film im Original heißt, aufwartet. Nach dem Prinzip von „Freitag, der 13.“ und anderen Slasher-Filmen in Jugendlagern und entlegenen Ferienhütten wird hier eine Gruppe von Freunden vor den Augen der Anderen dezimiert. Die konzeptionelle Idee dabei ist, den Cyberspace selbst zur Erzählfläche zu machen. Das gesamte Geschehen entfaltet sich einzig auf dem Desktop von Blaire (Shelley Hennig). Die Leinwand erscheint dabei als überdimensionierte Computer-Oberfläche, deren visuelle und phonetische Semantik einem bestens vertraut ist: sich öffnende Fenster, ein flinker Cursor, die Geräusche von eingehenden Botschaften, oder das schlürfende Geräusch des aktivierten Skype-Accounts. Jeder einzelne im Kinopublikum sitzt damit selbst vor dem Computer und wird zum weiteren Chat-Teilnehmer und Opfer einer Eskalation. Während sich das digitale Geschehen zu Beginn noch mit frivolen Spielchen anlässt, Mitch nötigt Blaire mit vorgehaltenem Messer, ihre Bluse auszuziehen, gerät man als unfreiwilliger Zuseher in einen Sog visuell übertragener physischer Gewalt, bei der sich die Frage stellt, warum die Leute ihren Bildschirm nicht einfach abdrehen und gehen. Der Reiz hinzuschauen ist wohl auch die Triebfeder der Dramaturgie von „Unknown User“. Anders als in „Paranormal Acitivty“ geht es nicht darum, herauszufinden, was sich des nächtens in diesem Haus abspielt, sondern um eine Community, die bis zum bitteren Ende das Spektakel der eigenen Vernichtung verfolgt. Insofern stellt dieser Film den bislang konsequentesten Beitrag zur Internet-Kultur dar, ein Thema, an dem etwa Michael Haneke sich seit Jahren schon mit einem Drehbuch quält, wie man hört. Ein eigenes Genre, Filme über Desktops aus der virtuellen Realität zu erzählen, dürfte daraus eher nicht entstehen. Die Freiheiten einer sich im Raum bewegenden Kamera und sich davor bewegenden Akteure sind unvergleichlich. „Unknown User“ verzehrt sich als zugegeben interessantes Experiment im Lauf seiner 85 Minuten aber sukzessive selbst auf.

„Unknown User“ wurde u.a. vom russischen Regisseur Timur Bekmambetow („Wächter der Nacht“, „Abraham Lincoln Vampirjäger“) produziert. Regie führte der georgisch-russische Schauspieler Lewan Gabriadse.