Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Gunnar Landsgesell · 02. Jun 2017 · Film

Jean Ziegler - Der Optimismus des Willens

Jean Ziegler ist ein charismatischer Menschenrechtsaktivist und Schweizer Ex-Politiker, der seinen Zielen für eine bessere Welt aber immer auch durch die von ihm gewählten Polemiken im Weg steht. Dieser Film zeigt das auf etwas ratlose Weise.

Dass man die haarsträubenden sozialen und ökonomischen Ungerechtigkeiten dieser Welt nicht tagtäglich aufs Neue durchleben kann, ohne dabei zugrunde zu gehen, darf man Jean Ziegler nicht vorwerfen. Seit Jahrzehnten setzt der Schweizer sich für Solidarität mit den Armen ein, predigt Humanismus, polemisiert gegen das internationale Finanzkapital, hetzt von einem Auftritt zum nächsten. Die Nuancen in seiner Argumentation, die Dosierung dramatischer Reize dürfte im Lauf der Zeit aber ein wenig verloren gegangen sein. Der Dokumentarfilm „Jean Ziegler – Der Optimismus des Willens“ greift diese „kämpferische“ Pose bereitwillig auf und folgt dem Aktivisten, bietet ihm viel Platz, seine Persönlichkeit vor der Kamera auszubreiten. Als Zuseher ist man freilich nicht immer sicher, wie diese Bilder zu verstehen sind: wird Ziegler hier affirmiert oder steckt doch Kritik in ihnen? An den Beginn seiner Erzählung setzt Regisseur Nicolas Wadimoff Ziegler, wie er in einem Taxi zwei Fotos der Kamera entgegenhält. Zu sehen zwei Kinder aus Afrika, deren Gesichter durch eine Krankheit regelrecht zerfressen sind. Die Erklärung dazu folgt, lapidar. Das sei das Ergebnis des Hungers, diesen haben die Industrienationen zu verantworten, ihr Handeln tötet.

Unentschiedener Zugang


Das ist inhaltlich sicherlich nicht falsch, aber so verkürzt dargestellt, dass man den Eindruck hat, hier wird man vor allem zum Zeugen einer Methode, die schon ziemlich lange und ein bisschen müde von diesem Krieger gegen die Ungerechtigkeit reproduziert wird. Auf welche Weisen der globalisierte Kapitalismus der Ersten Welt seine technische und machttechnische Überlegenheit gegenüber den Entwicklungsländern ausspielt und von diesen profitiert, das findet zwischen Zieglers plakativen Parolen keinen Platz. Als Zuseher fühlt man sich vor allem als das Instrument, mit dem der Protagonist seine Mobilisierungskampagnen vorantreibt. Dabei macht der Film – vielleicht unfreiwillig – deutlich, wie leicht Ziegler es seinen Kritikern macht, seine inhaltlich oftmals berechtigten Forderungen wegzuwischen: Indem er seine eigene Person derart in den Vordergrund spielt, drohen die Inhalte zur Nebensache zu werden. Eine Reise nach Kuba, von Regisseur Wadimoff wohl vorgeschlagen, um dem Menschen näher zu kommen, bricht die Repräsentationsmaschine Zieglers nicht auf. Er erweist sich als apodiktischer Verteidiger der kubanischen Revolution und allem, was danach gekommen ist. Wo ein Feldarbeiter sich kritisch über eine vom Staat aufgestellte Tafel auf einem Acker äußert („Vertrauen ist gut, Kontrolle besser“), deutet Ziegler diese auf kuriose Weise und mit Bezug auf Rousseau in einen Akt gesellschaftlicher Freiheit um. „Jean Ziegler“ ist keine Biographie dieses Verfechters von Menschenrechten, sondern eine Art aktueller Bestandsaufnahme, die dem mittlerweile 83-jährigen Aktivisten auf diese Weise aber nicht gerecht werden kann.