Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 09. Jun 2017 · Film

Die Migrantigen

Zwei Wiener mit migrantischen Wurzeln werden von einer TV-Reporterin als "Ausländer" identifiziert, die an einem "sozialen Brennpunkt" nach Protagonisten für ihre Doku sucht. Benny und Marko spielen mit. "Die Migrantigen" legt auf witzige Weise die Mechanismen frei, wie Ausländerklischees produziert werden.

Kann man dem Thema „Migranten“ noch einen Aspekt hinzufügen, der in der endlos geführten öffentlichen Diskussion nicht schon vielfach thematisiert wurde? Schwer vorstellbar. Höchstens, man betrachtet den Diskurs selbst als eine Art Farce, mit der man sich an eine fruchtlose Identitätspolitik annähern möchte. So gesehen ist es erstaunlich, dass eine Komödie wie „Die Migrantigen“ so lange auf sich warten ließ. Marko und Benny sind zwei Freunde, Wiener mit jugoslawischen bzw. ägyptischen Wurzeln, die man gemeinhin als „Bobos“ bezeichnen würde. Marko (Aleksandar Petrović) ist ein Hipster, der eine – allerdings verschuldete – Werbeagentur betreibt und ein Fahrrad um mehrere tausend Euro in seiner Wohnung geparkt hat. Benny (Faris Rahoma) ist Schauspieler, der bei einem Vorstellungsgespräch gerne in die Figur des Hans Moser schlüpfen würde, aber dann doch wieder nur den ausländischen Taxifahrer spielen soll. Als eines Tages die TV-Soap-Redakteurin Marlene Weizenhuber (Doris Schretzmayer) auf der Suche nach „Ausländern“ in einem „Problemviertel“ in Wien unterwegs ist, beschließen die zwei ernüchterten Freunde spontan, für die Reporterin genau jene Vorzeige-Ausländer zu spielen, die diese offenbar sucht. Gebrochenes Deutsch gehört ebenso zu ihrem Repertoire wie die Ästhetik gerippter Unterhemden, der Besuch von Wettcafes und Zuhälterei. Die Frau vom TV ist zufrieden, sie glaubt, ganz tief in die „sozialen Brennpunkte“ dieser Stadt eingetaucht zu sein. Dem hungrigen Publikum liefert sie neue Nahrung. Freilich muss der Schwindel irgendwann auffliegen.

Ausländerklischees


Regisseur Arman T. Riahi („Schwarzkopf“) hat gemeinsam mit Petrović und Rahoma eine Komödie der Irrungen entworfen, die auf zugespitzte Weise aufzeigt, wie die Rollen in unserer Gesellschaft verteilt werden. Ein „Migrant“ bleibt man in Österreich nicht selten auf Lebenszeit, selbst wenn man in Wien geboren ist. „Die Migrantigen“ fühlt sich aber trotz des Klamauks einer sozialen Realität verpflichtet. Petrović und Rahoma erhalten selbst oft Rollenangebote als Taxifahrer oder Kriminelle, Klischees, die sie jedenfalls nicht bedienen möchten. Dass ihre Figuren Benny und Marko „integrierte“ Wiener sind, die sich nicht von anderen Bürgern der Stadt unterscheiden, es sei denn durch schwarze Haare, wird im Film zum Knackpunkt. Riahi greift auf lustvolle Weise den Kronen-Zeitungs-Diskurs auf und lässt sämtliche Zerrbilder darauf wie Widergänger auf der Leinwand aufmarschieren.