„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Walter Gasperi · 07. Jun 2018 · Film

Aktuell in den Filmclubs (8.6. - 14.6. 2018)

Das TaSKino Feldkirch zeigt diese Woche das aufwühlende norwegische Drama „Was werden die Leute sagen“, in dem Iram Haq von einer jungen Pakistani erzählt, die aufgrund ihrer familiären Situation zwischen den Kulturen zerrissen ist. Einen quasidokumentarischen Blick auf eine süditalienische Roma-Familie bietet dagegen Jonas Carpignanos Spielfilm „A Ciambra – Pio“, der beim Filmforum Bregenz auf dem Programm steht.

Was werden die Leute sagen: Iram Haq erzählt in ihrem zweiten Spielfilm nach autobiographischen Erfahrungen von der in Norwegen aufgewachsenen 15-jährigen Nisha, die sich zuhause an die Regeln der traditionellen pakistanischen Eltern hält, während sie draußen heimlich das Leben eines ganz normalen westlichen Teenagers führt. Als dieses Doppelleben auffliegt, entführt sie der Vater nach Pakistan, wo die Tochter in seiner Familie aufwachsen soll.
Dicht und rasant erzählt Haq, versetzt den Zuschauer mit einer dynamisch und nah geführten Handkamera in die Perspektive des von Maria Mozhdah bewegend gespielten Mädchens. Mit wenigen Strichen zeichnet die Regisseurin prägnant das Spannungsfeld in Norwegen, um dann plastisch aufzuzeigen, welch andere Welt Nisha in Pakistan vorfindet.
Differenziert bleibt der Film dabei und zeigt auch die Eltern als Opfer, die aufgrund ihrer Sozialisation in ihrem Denken gefangen sind. Selbstfindung und ein mögliches Glück kann es für Nisha aber nur durch einen radikalen Bruch mit ihrer Familie geben.
TaSKino Feldkirch im Kino Rio: Fr 8.6., 22 Uhr; Sa 9.6., 22 Uhr; Mo 11.6., 18 Uhr; Di 12.6., 20.30 Uhr

 

A Ciambra - Pio: Jonas Carpignano stieß schon beim Dreh des Kurzfilms „A Chjana“, der die Grundlage für seinen ersten Spielfilm „Mediterranea“ bildete auf die in Baracken am Rand der süditalienischen Stadt Gioia Tauro wohnenden Roma-Familie Amato. Diese spielt nun in „A Ciambra“ die Hauptrolle. Ganz aus der Perspektive des 14-jährigen Pio erzählt der Italo-Amerikaner. Hautnah folgt ihm die Kamera immer wieder im Rücken, während dramatische Momente durch anschwellende Musik akzentuiert werden.
Mit der Perspektive Pios bekommt der Zuschauer Einblick in das Leben in dieser Großfamilie, in die sozialen Verhältnisse und in eine Welt, in der 10-Jährige rauchen, ohne dass jemand etwas sagt, und niemand sich darum schert, dass Pio nicht lesen kann. Die dominanten blauen Farbtöne, die kahlen winterlichen Bäume verstärken die Stimmung der Hoffnungslosigkeit und Tristesse.
Arbeit scheint es für die Mitglieder der Familie nicht zu geben. So schlägt man sich mit Diebstählen und dem Verkauf geklauter Autos durch. Als Pios Vater und sein älterer Bruder verhaftet werden, steigt der Teenager zum Ernährer der Großfamilie auf. Er muss schauen, wie Geld hereinkommt, verkauft bald selbst ein geklautes Auto, bald den Inhalt eines Koffers, den er einem Reisenden in einem Zug gestohlen hat.
Carpignano bietet konsequent eine Innensicht dieses Lebens außerhalb der Gesellschaft bzw. in einer Parallelgesellschaft, in der das Fehlen jeglicher Perspektiven und Zukunftschancen die Menschen fast zwangsläufig in die Kriminalität treibt. In seinem dokumentarischen Blick entwickelt dieses bedrückende sozialrealistische Porträt dabei ebenso atmosphärische Dichte wie im kraftvoll-zupackenden und dynamischen Erzählstil Intensität. Auf Moralisieren verzichtet der 34-jährige Regisseur ebenso wie auf Erklärungen und Hintergrundinformationen, spürbar ist aber in jeder Szene, dass er voll hinter seinem Protagonisten steht, sodass der Zuschauer mit Pio mitfühlt.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 13.6., 20 Uhr + Fr 15.6., 22 Uhr